#20 Ein Blick ins Universum
Shownotes
Quo vadis, Friedenstein? Unser Direktor, seit 2019 am Haus, hat sich zusammen mit der Stiftung auf den Weg gemacht und will neue museale Wege beschreiten. Der Weg des Friedensteins in die Zukunft führt auch in die Vergangenheit, er durchquert Themenwelten, begegnet anderen Museen und Kulturinstitutionen, bildet Synergien und schärft das eigene Profil. Denn der Friedenstein inspiriert, verbindet und entdeckt. Jeden Tag aufs Neue.
Beitrag 1: Zu der Gothaer Sammlung gehört auch das Stück eines Meteoriten, der nicht nur das Universum aus eigener Anschauung kannte, sondern auch die Forschung revolutionierte. Hier erinnert er sich an gute alte Zeiten…
Beitrag 2: Universalsammlungen haben ihren Ursprung meist in einer fürstlichen Kunst- und Wunderkammer… oder in den Ambitionen eines Gelehrten und Pädagogen. August Hermann Francke hat die berühmten Franckeschen Stiftungen in Halle gegründet. Was viele nicht wissen: Davor war er in Gotha! Thomas Müller-Bahlke, der heutige Stiftungsdirektor in Halle, berichtet von früher und heute - und warum es gut ist, dass sich die heutigen Universalmuseen zusammentun. In AEUM: der Alliance of Early Universal Museums.
Über 28.000 der fast 1,2 Millionen Objekte der Friedenstein Stiftung Gotha findet Ihr hier - vom Reisealtar über die Turbanschnecke bis hin zum Dinglinger Elefanten: https://www.friedensteine.de/sammlung
Wer mehr über die Franckeschen Stiftungen wissen will, schaut hier: https://www.francke-halle.de/de/
Das Gruppenbild bei der AEUM-Tagung in Halle hat gemacht Markus Scholz gemacht, das Foto vom Pallasiten Lutz Ebhardt.
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Susanne: Was macht denn jetzt den Universal Director aus? Was sind die wichtigsten Eigenschaften?
Speaker 2: 690 Kilo. Das gab einen Rumms. Der war nicht von schlechten Eltern, kann ich euch sagen.
Speaker 3: Er hat unseren Bestandskatalog zur Kunstkammer in Händen gehalten. Und zwar. Und er schaut in seinen Schrank. Und? Fürchtest du meine Jacke? Kann er. Die steht auch gerne hier im Schrank.
Susanne: Wo ist das Krokodil?
Speaker 2: Friedenstein Funk. Der Podcast der Friedenstein Stiftung Gotha. Folge 20 Ein Blick ins Universum.
Susanne: Hallo und herzlich willkommen in unserer neuen Folge. Es ist Folge Nummer 20 und es ist allerhand, dass der heutige Gast erst jetzt vorkommt, denn es ist unser Stiftungsdirektor Tobias Pfeiffer ke.
Tobias Pfeifer-Helke: Ich freue mich, dass ich da sein kann.
Susanne: sehr. Nach [0.5s] 20 Folgen, weil normalerweise sind Sie ja eigentlich der Erste, der spricht bei Ausstellungseröffnung Veranstaltung.
Tobias Pfeifer-Helke: Ich muss nicht immer der Erste sein, der spricht. Also es ist auch sehr schön, erst mal zu lauschen, wie sich so die Dinge entwickeln. Finde ich sehr schön und ich finde, der Podcast hat sich super entwickelt und da bin ich jetzt nicht unbedingt so scharf drauf, dass ich da bei der ersten Folge schon dabei bin, weil es stehen ja die Inhalte im Vordergrund und nicht der Chef.
Susanne: Und um die Inhalte soll es gehen, vor allem um den Friedenstein und natürlich auch, wie sie ihn formen. Der Friedenstein. Sie haben ein Wort dafür gefunden, vor längerer Zeit Gemischtwarenladen. Was meinen Sie genau damit?
Tobias Pfeifer-Helke: Ja, der Friedenstein ist ein Paradebeispiel für einen sogenannten Gemischtwarenladen, einen musealen Gemischtwarenladen oder, um das vielleicht ein bisschen anders zu formulieren, ein sehr komplexes Gebilde. Weil der Friedenstein ein Universalmuseum, eine Universalsammlung ist und wir ja eigentlich von den Ursauriern bis zur ersten all die Güter, die in Gotha über den Ladentisch gegangen ist in den 90er Jahren. Wir haben alles, also Kayak aus der Arktis und ganz, ganz große Insekten Sammlung. Und es meint Gemischtwarenladen.
Susanne: Sie sind ja Kunsthistoriker und haben sich lange auch mit Landschaftsmalerei beschäftigt. Jetzt eben viel, viel mehr. Haben Sie einen besonderen Bereich, der Ihnen sehr am Herzen liegt bei uns?
Tobias Pfeifer-Helke: Das ist das Schöne. Das ist ja auch die Kunstgeschichte in den letzten Jahren weiterentwickelt hat, dass die Kunstgeschichte zu einer Bildwissenschaft geworden ist. Und es war eigentlich mein immer, immer mein großer Traum gewesen, in einem Universalmuseum zu arbeiten. Aus dem einfachen Grund, weil der Zugang zur Welt sich in einem Universalmuseum natürlich anbietet. Das. Normalerweise gibt es die Sparten Häuser, man sammelt Kunst, man macht die Stadtgeschichte oder man ist in Naturkundemuseum, und man ist immer sehr, doch sehr verengt auf ein Thema fokussiert. Und das Schöne an den Universalmuseen ist, dass sie auch die Perspektiven unter den Abteilungen ermöglichen und dass man auch immer schauen kann was macht eigentlich der Nachbar, was macht die Kultur, was macht die Kunst, was macht die Natur? Und ich finde, das ist absolut reizvoll und gerade eben auch im 21. Jahrhundert. Und deshalb bin ich überglücklich, dass ich.
Tobias Pfeifer-Helke: Obwohl ich Kunsthistoriker bin.
Tobias Pfeifer-Helke: Trotzdem jetzt auf dem Friedenstein.
Susanne: Bin. Was macht denn jetzt den Universaldirektor aus? Was sind die wichtigsten Eigenschaften? Ho, ho, ho.
Tobias Pfeifer-Helke: Ho, ho! Frau Sinn für Humor macht sich über ihren Direktor.
Susanne: Nein, das ist eine ernst gemeinte Frage.
Tobias Pfeifer-Helke: Also, von Hause aus bin ich ja Kunsthistoriker. Aber in einer Universalsammlung, wo ja mindestens 80 Universen so viele Mitarbeiter arbeiten, im Augenblick auf dem Friedenstein nebeneinander existieren, ist natürlich das Berufsfeld eines Direktors schon etwas anders. Jeder, jede Kollegin, jeder Kollege ist mit einem unglaublichen Engagement dabei, Jeder bringt seine Perspektive auch in das Team ein. So soll es auch sein. Das ist auch ganz wichtig. Und die Hauptaufgabe ist es natürlich, die Kolleginnen und Kollegen zu motivieren, diese Expertise auch einzubringen. Und meine Aufgabe ist es mehr oder weniger das Ganze zu moderieren, immer wieder auch diese Differenzen auszugleichen, Verständnis für die andere Seite zu entwickeln, immer wieder auch Geradlinigkeit in die gemeinsame Kommunikation zu bekommen. Aber das macht ja ehrlich gesagt großen Spaß, weil ja unglaublich viel Fachexpertise von jedem, aus jedem Bereich auch kommt. Und ich verstehe mich schon eher als Moderator für diesen Gesamtprozess. Die Stiftung hat sich auf den Weg gemacht und ich schaue dann immer mal vom Rand aus so, ob das alles auch so funktioniert bzw greift dann immer mal ein und korrigiere da an der einen oder anderen Stelle.
Susanne: Wir laufen mit, laufen weiter, scheren aus.
Tobias Pfeifer-Helke: Ja, das muss also Spaß machen, das Laufen.
Susanne: Ja, manchmal müssen wir auch.
Tobias Pfeifer-Helke: Der Spaziergang muss schon Spaß machen. Das die Hauptsache wir leben alle von den Sammlungen. Deshalb sind wir auf dem Friedenstein. Das macht auch den Unterschied zu Universitäten oder zu anderen Einrichtungen aus. Wir leben von diesem Reichtum. Das geht ja bei den Osaurier los und wird eigentlich in der Gegenwart bzw auch in der Zukunft auf. Und das ist natürlich auch eine eine wunderbare Aufgabe, diese Sammlung weiter zu entdecken. Und da nehme ich gerne alle mit. Bzw. Die Kollegen nehmen auch mich immer wieder mit.
Susanne: Sie haben einen Wunsch frei, welcher wäre, dass der Generaldirektor.
Tobias Pfeifer-Helke: Also der Generaldirektor, der ich nicht bin, sondern die Titelbezeichnung heißt ja Vorstand schaut natürlich auf das gesamte Ensemble Gotha. Mein großer Wunsch ist es, dass wir die Sammlungen und auch die Liegenschaften, dass wir das zusammenführen, dass wir gemeinsam an einer Entwicklung für den Standort nachdenken. Und das. Nicht nur in Berlin bekannt ist, sondern auch in London und in Madrid und auch in Paris. Und daran wollen wir weiter arbeiten.
Susanne: Sie haben ja auch sehr viel Geld bekommen vom Bund in den zwei Projekten Open Friedenstein und Ghuta Transdigital, um eben diesen Friedenstein bekannter zu machen oder auch in der digitalen Welt zu etablieren. Die Herausforderung ist ja wie macht man so ein buntes Universum jetzt greifbar?
Tobias Pfeifer-Helke: Genau das ist das große Thema, vor dem wir in den nächsten Jahren stehen. Und auch das ist der eigentliche Grund dafür, dass wir auch das Geld seitens des Bundes bekommen haben. Der Friedenstein ist Teil der Konferenz nationaler Kultureinrichtungen. Wir stehen im Blaubuch und die Frage ist ja, wie macht man das eigentlich sichtbar? Wie macht man eine Universal Sammlung mit circa 1,2 Millionen Objekten sichtbar? Wie kriegt man die Besucher bzw das Publikum, aber auch die Reichweite, um deutlich zu machen, dass hier einer der wichtigsten kulturellen Hotspots in Mitteldeutschland befindet, also ein ganz zentraler Steller mitten in Deutschland.
Susanne: Und Sie haben ja auch zusammengesessen mit der Forschungsbibliothek und einem wissenschaftlichen Beirat, wo auch noch andere dazu gehören, um das Profil ein bisschen zu schärfen. Und da sind Themenwelten entstanden, das Friedensteins.
Tobias Pfeifer-Helke: Genau die Aufgabe, vor der wir standen, vor einigen Jahren war. Was ist eurer ganz spezielles Profil? Was macht den Friedenstein einzigartig? Wofür steht der Friedenstein? Und dafür gab es einen längeren Prozess. Also wir hatten einen Lenkungsausschuss, auch gebildet unter Leitung der Thüringer Staatskanzlei, die einen Expertenrat zusammen genommen hat, der dann darüber nachgedacht hat, wie können wir das Profil schärfen? Was sind so die Tutus, die unbedingt als nächstes angegangen werden müssen? Und daraus sind dann die von Ihnen bereits erwähnten drei Themenwelten entstanden, auch eine Empfehlung des wissenschaftlichen Beirates, der ganz klar gesagt hat Na ja, Gotha ist ja eigentlich 16 40, gegründet als Herzogtum, ist eine Idealplanung eine Schlossanlage mit der entsprechenden Verwaltungsinfrastruktur, die dann für die weiteren frühneuzeitlichen Staatsgründungen vorbildlich gewesen ist. Das heißt, von da ging auch ein Impuls aus. Also es ist eben nicht allein eine Schlossanlage, sondern es ist eben wirklich eine musterhafte Schlossanlage. Aber man kann ja auch ins 19. Jahrhundert schauen. Was auch sehr paradigmatisch für Gotha ist, ist eben die die Kölner Sammlung zur Flora und Fauna des Thüringer Waldes. Das erste Mal überhaupt, dass jemand sich die Mühe gemacht hat, über Jahre hinweg Maikäfer zu zählen, Blüten aufzusammeln. Und so weiter und so fort und so einen wissenschaftlichen Form gegossen hat. Da stecken eben auch die ältesten erhaltenen Borkenkäfer Thüringens drin. Und man kann eben an diesem Beispiel sehr schön sehen, wie sich Biodiversität und wie sich Klimawandel seit dem 19. Jahrhundert auch entwickelt hat. Also auch da das ist ja auch eine Modellsammlung, die ja nicht abgeschlossen ist.
Claim: Friedenstein inspiriert.
Tobias Pfeifer-Helke: Das war das erste. Also diese eine Themenwelt, also das Modellhafte, das man in Gotha immer wieder findet. Das andere sind die internationalen Verflechtungen des Standortes. Seit also vor der Gründung des Herzogtums schon im Beginn im 16. Jahrhundert, vor allem dann im 17. Jahrhundert, nachdem die Missionare bzw auch die Agenten sind ja bis nach Äthiopien gekommen. Es gibt Beziehungen nach Russland, es gibt Kontakte nach England, es gibt Kontakte nach Indonesien und alles das schlägt sich natürlich auch in der Sammlung nieder. Auch in dem Sammlungsbestände ist ganz wichtig, also auch diese weltweiten Vernetzungen, wo man sich natürlich fragen kann, wie kommt das eigentlich, dass an so einem kleinen, relativ kleinen Ort so viel internationales Know how auch existiert?
Tobias Pfeifer-Helke: Friedenstein verbindet.
Tobias Pfeifer-Helke: Und das dritte ist natürlich die große Frage, die mehr oder weniger ja auch alle Universalssammlungen verbindet. Es wissen also, warum hat man so viel Objekte angehäuft? Welche Idee des Wissens steht dahinter? Also warum tut man das eigentlich? Warum hat man gesammelt oder was? Was, was? Was sind die Anliegen? Was sind die Beweggründe dahinter?
Tobias Pfeifer-Helke: Mehr als ein Schloss. Universum Friedenstein.
Susanne: So, und jetzt noch mal zusammenfassend. Mehr als ein Schloss Universum Friedenstein, das ist unser Dach und darunter haben wir verschiedene Themenwelten. Einmal der Friedenstein inspiriert, der Friedenstein verbindet und der Friedenstein entdeckt.
Tobias Pfeifer-Helke: unser großes Digitalisierungsprojekt.] Wir haben unglaublich viele Kooperationen, auch beispielsweise mit dem Naturkundemuseum in Berlin und mit dem Geopark haben wir Kooperationen. Wir haben jetzt auch die ersten Schulpartnerschaften in Gotha. Also Kooperationen vernetzen, verbinden mit der, mit der Wissenschaftslandschaft auf der einen Seite, aber natürlich auch. Andererseits mit den, mit den Schulen, mit denen, wie man so schön sagt, neudeutsch mit den Stakeholdern. Alle diejenigen, die am Friedenstein oder sich vom Friedenstein Informationen holen wollen bzw die wir unbedingt auf den Friedenstein holen wollen.
Susanne: Und was ist mit dem Friedenstein entdeckt auf sich hat? Da hören wir jetzt mal rein.
Tobias Pfeifer-Helke: Friedenstein entdeckt.
Meteoriten-Beitrag: Ach ja, das waren noch Zeiten, als ich noch schwerelos und unbekümmert im Weltall meine Kreise zog. Das Universum in all seiner Endlosigkeit rund um mich herum. Und ich ein nicht allzu großer Meteorit mitten im riesigen Nichts. Bis dann plötzlich dieser blaue Planet meine Umlaufbahn kreuzte und mich völlig unerwartet zum Absturz brachte. Krasnojarsk hatte ich gerade noch Zeit, auf einem Ortsschild zu lesen, bevor ich. Genau. Irgendwo in bitterkalten Gefilden höchst unsanft landete. 690 Kilo. Das gab einen Rumms. Der war nicht von schlechten Eltern, kann ich euch sagen. Irgendwann kam ein Goldsucher vorbei, wunderte sich über meine bizarre und zerfaserte Gestalt und rief einen einfachen Mann namens Jakob Medwedjew zur Hilfe. Der hatte eine kleine Schmiede in einem winzigen Dorf in dieser unwirtlichen Gegend. Und da lag ich nun. Zehn Jahre. 20 Jahre. Denn was der gute Jakob mit mir vorhatte. Ich kann es Euch nicht sagen. Vielleicht hatte er erkannt, dass ich fast vollständig aus Eisen bin und hätte mich irgendwann eingeschmolzen, wenn nicht ein preußischer Gelehrter des Wegs gekommen wäre. Peter Simon Pallas, der im Dienste der Zarin Katharina stand. Heda, junger Mann! Man sagt, Ihr habt hier ein Jahr. Merkwürdig. Ihr formten Klumpen aus Metallklumpen. Na, nu war es nicht. Hab Gott gebracht. Ist aber kein Gold. Erst vielleicht vom Himmel gefallen. Aus Weltall. Unsinn, junger Mann aus Eisen und Eisen Fällt nicht vom Himmel und schon gar nicht aus dem Weltall. Ach, wäre der preußische Forscher doch dem Einfall des armen Schmied nachgegangen. Aber er schaffte mich erst mal nach Sankt Petersburg. Wieder vergingen zehn Jahre, 20 Jahre. Da hatte ein sächsischer Physiker die zündende Idee. Ernst Florenz Friedrich Klatt Nie schrieb ein Buch über mich. Titel Über den Ursprung der von Pallas gefundenen und anderer vier ähnlicher Eisenmassen. Und in diesem Buch stellte er eine revolutionäre These auf. Ich, also das sogenannte Pallas Eisen, käme tatsächlich aus dem Universum und sei wie eine Sternschnuppe auf die Erde gefallen. Doch damit nicht genug. Glatt. Nie verstand zudem, dass ich ein Relikt aus der Entstehungszeit der Planeten bin. Schlaues Bürschchen. Glatt Nie. Hatte in Leipzig studiert und in Gotha geforscht. Er war mit dem Leiter der Gothaer Sternwarte auf Du und du. Doch die anderen Gelehrten seiner Zeit, Goethe, Humboldt, Brandes. Die lachten ihn aus. Bis ein paar Jahre später noch mehr Meteoriten auf die Erde regneten und Kladnis These bestätigten. Meteoriten wie ich kommen tatsächlich aus dem Weltall. Da hatte ich richtigen Riecher. Zu Ehren meines preußischen finders Peter Simon Pallas nannte man mich fortan Pallasit. Und nochmals vergingen zehn Jahre, 20 Jahre, bis ich über einen Freund und Kollegen Kladnes in die Sammlung Herzog Augusts von Sachsen Gotha Altenburg gelangte. Also zumindest ein Teil von mir. Jede fürstliche Wunderkammer wollte ein Stückchen von mir haben. So berühmt und begehrt war ich mittlerweile jedenfalls. Und wo war ich stehen geblieben? Genau so kam ich in die Sammlung Herzog Augusts von Sachsen Gotha Altenburg ins Universalmuseum nach Gotha. Da liege ich nun und träume von vergangenen JahrMillionen und meinem Flug durchs Weltall. Und wer Fragen zum Universum hat, der wende sich bitte an mich, den Gotha Meteoriten.
Tobias Pfeifer-Helke: Der Meteorit ist natürlich ein sehr schönes Beispiel auch für für Gotha, weil es geht ja um Weltverständnis. Und der Meteorit bringt ja auch noch mehr mit, da bringt er sogar noch das eher mit, oder? Das finden wir natürlich ganz toll.
Susanne: Gotha war ja auch ein großes Zentrum der Astronomie, das weiß auch kaum einer.
Tobias Pfeifer-Helke: Astronomie mit der ersten, auch modernen, hochmodernen Sternwarte, die dann in Gotha errichtet worden ist, die auch nach den Meridianen ausgerichtet wurde, nach dem englischen Vorbild usw und über die Astronomie. Deshalb finde ich auch, dass die das Beispiel mit dem Dritten sehr gut hängt, dann natürlich auch die Kartografie zusammen. Also über die Astronomie kann man dann auch erklären, warum überhaupt die Kartografie in Gotha so eine große Bedeutung gewonnen hat, nur weil man natürlich über die Sterne und über die Geodäsie usw kann man dann natürlich auch Karten erstellen, deswegen die Dinge zusammen. Und so hängt natürlich auch die Vorstellung über die Welt zusammen. Deshalb ist es gut gewählt. Das Beispiel.
Susanne: Sie sind ja jetzt seit 2019 hier. Haben Sie ein Lieblingserlebnis in der Zeit?
Tobias Pfeifer-Helke: Der hat unseren Bestandskatalog Kunstkammer in den Händen gehalten. [4.9s] Und in diesem Katalog hat er eine Jadekanne entdeckt in Schwarz Weiß Abbildung. Und er schaut in seinen Schrank und sagt Das ist doch meine Jadekanne, Die steht auch bei mir hier im Schrank. Mit dem Effekt, dass er bei seinem Kunsthändler nachgefragt hat und dort deutlich geworden ist Ja, das ist die Jadekanne aus Gotha und das finde ich traumhaft. Das finde ich wirklich absolut. Ja, da kriegt man schon Gänsehaut, weil da gibt die zurück und sagt, die gehört nach Ghouta. Also die gebe ich gern wieder an den Friedenstein zurück. So, und jetzt sind wir in Verhandlungen mit dem Kunsthändler, wie wir diese Jadekanne wieder zurückbekommen. Also der Service ist bei uns in Gotha und die Jade Kanne, die steht im Augenblick in Paris, bei dem also nicht mehr bei dem Orthopäden. Und das finde ich einfach eine tolle Geschichte. Wie wichtig es ist, die Dinge zu publizieren, nach draußen zu bringen, zu digitalisieren und den Friedenstauben bekannt zu machen.
Susanne: Da gibt es viele tolle Rückkehrer. Den Rubens, den Kunstraub hatten wir ja auch noch, die Rückkehrer daraus und ein Lieblingsobjekt.
Tobias Pfeifer-Helke: Also mein Lieblingsobjekt. Das hängt natürlich auch wieder mit der Welt des Friedensteins zusammen. Ist ein marmorner Globus, der da auch schon aus der Kunstkammer stammt. Also da geht es nicht darum, diese Oberfläche zu identifizieren und die Kontinente. Und so weiter, sondern es geht um die Idee der Welt. Und dieser Marmorglobus stand eben in der Kunstkammer und steht natürlich bzw stand auch für die Idee der der Welt in Gotha. Deshalb finde ich das ein wunderbares Beispiel. Außerdem sieht das ja schön aus und ist aus tollem Material und aus. Also auch handwerklich sehr super gefertigt und einfach sehr schön. Aber üblicherweise kommen dann meistens so Nautilus Pokale und so Goldgefäße. Aber ich finde halt, der kleine Globus, der macht schon was her. Es ist auch relativ schwer.
Susanne: Sie versuchen ja auch, die Wunderkammer jetzt ins 21. Jahrhundert zu bringen.
Tobias Pfeifer-Helke: Genau das ist jetzt der nächste Schritt. Da hängt unser großes Digitalisierungsprojekt damit dran. Die Wunderkammern sind im Augenblick ja auch deshalb so aktuell, weil das ja das Wikipedia des der Neuzeit gewesen ist und wir natürlich durch die Digitalisierung auch versuchen, die Zusammenhänge, in denen die Objekte eingebunden sind, auf digitale Art und Weise darzustellen. Also es wird eine große und es gibt eine große Kollektion Wall und die Möglichkeit durch die Digitalisierung bzw durch diese digitale Präsentation es jetzt einfach die Informationen zu vermitteln. Also mit Audio, mit Sound, mit einer, mit einem Kontexttext, Informationen, also mit einer Atmosphäre, die die Dinge umgeben hat oder immer auch umgibt. Sie sind ja nicht tot, auch wenn sie bei uns im Depot sind, sondern das eben auf einer digitaler Art und Weise auch wieder herzustellen und das erlebbar zu machen. Das ist uns ganz wichtig, also der Zugang zu den Dingen. Und deshalb ist eben die digitale Wunderkammer die logische Konsequenz aus der Kunst und Wunderkammer des 17. Jahrhunderts, die wir in USA haben.
Susanne: Das ist ein wunderbares Stichwort Kunst und Wunderkammer, das können wir noch anreichern mit einem Krokodil und mit August Hermann Francke, der in Halle aktiv war. Und da können wir mal reinhören.
Beitrag "Universalmuseen": Was hat der alte Herzog denn so gesammelt? Lasst mal sehen. Gemälde und Kupferstiche. Illustrierte Bücher. Uhrwerke. Optische und astronomische Instrumente. Kisten und Kästchen. Gold und Silberschmied. Arbeiten. Alles fein aufgereiht in diesem schwarzen Vitrinenschrank. Ja, so magister es sich angehört haben, anno 1676. Vielleicht betrat da ein 13-jähriger Schüler die zweite Etage des Westturms, um die herzogliche Kunstkammer in Augenschein zu nehmen. Ernst der Fromme war ja ein Jahr zuvor schon gestorben, doch seine Kunstkammer bestand weiterhin. Elfenbein, Nautilus, Schild pacht. Doch wo sind die präparierten Tiere? Wo ist das Krokodil? Gehört nicht ein solches zu jeder herzoglichen Sammlung dazu? Dient es nicht auf vortreffliche Weise dem Lobpreis Gottes? Der wissbegierige Junge hier hieß August Hermann Francke, und er war mit seiner Familie nach Ghouta gezogen. Sein Vater war nämlich Hofrat bei Ernst dem Frommen gewesen, und der Sohn hatte Privatlehrer, und er besuchte das Gymnasium illustre das heutige Ernestinum. Lernen durch Anschauung. Die göttliche Ordnung der Welt mit allen Sinnen erfassbar machen. Hmmm. Das wär doch was. Und so kam es dann auch. Gut 20 Jahre später ist August Hermann Franke, Pfarrer in Glaucher, einem Vorort von Halle. Und hier zieht er innerhalb weniger Jahre ein beispielloses Projekt hoch eine Pflanzstätte für Kinder und Jugendliche.
Speaker 4: Die fraglichen Stiftungen wurden gegründet 1698 von August Hermann Franke, einem evangelischen Theologen und Pädagogen, der nichts weniger vorhatte, als die Welt zu verändern durch ein völlig neues Bildungskonzept, was er an den Start gebracht hat.
Susanne: Thomas Müller Balke ist Direktor dieser ungewöhnlichen Einrichtung, die bis heute besteht.
Speaker 4: August Hermann Franke hat es geschafft, Schulbildung unabhängig vom sozialen Hintergrund der Schülerinnen und Schüler zu organisieren. Er hat es geschafft, in seiner Zeit, Ende des 17. Jahrhunderts Kinder aus aller ärmsten Verhältnissen hier in Schulen zu bringen und ihnen dann ihren Talenten gemäß eine maßgeschneiderte Schulbildung zu geben, so dass nicht wenige von diesen Kindern dann zu allerhöchsten akademischen Ehren gekommen sind. Und so ließe sich das durchdeklinieren. Es ging um Bildung für alle.
Susanne: Ja, und Franke hatte damit so viel Erfolg, dass bald nicht nur benachteiligte Kinder und Waisen bei ihm zur Schule gingen, sondern auch bürgerliche und reiche Adlige ihre Sprösslinge schickten. Lernen durch Anschauung. Das bedeutete natürlich, dass auch die fränkischen Stiftungen ihre eigene Kunstkammer brauchten. Und die richtete August Hermann Franke in der Mansarde seines Weißen Hauses ein. Genauso wie Ernst der Fromme im Friedensteiner Festung. Aber bitte mit Krokodil.
Speaker 4: Und dann kommt August Hermann Franke und nimmt diese Wunderkammer Idee auf und gibt dir aber einen neuen Schliff, indem er seinen Kurfürst darum bittet, Doppelstücke aus dessen Kammer haben zu dürfen, weil er solch eine Wunderkammer für Bildungszwecke einsetzen will. Und dann führt er seine Schüler darein und erklärt ihnen eben an dreidimensionalen Objekten fremde Kulturen oder naturgeschichtliche Zusammenhänge. Es ging also um eine breite Allgemeinbildung. Auch das ist ja ein zeitlos moderner Ansatz für Bildung heute.
Susanne: Und dieser Anspruch auf eine breite und umfassende Bildung, der eint die Museen und Wunderkammern damals und heute.
Speaker 4: Wenn man sich mit Wunderkammern beschäftigt, dann stellt man sehr schnell fest, dass Wunderkammern vor 350 Jahren einander kannten, untereinander vernetzt waren. Und so lag es nahe, dass wir die Idee entwickelt haben, auf die Suche zu gehen nach ähnlichen Universalssammlungen, die bis heute noch vorhanden sind, und diese zu einem Netzwerk zusammenzuschließen. Weil die Herausforderung solch einer frühen Universalsammlung auch eine ganz spezielle ist.
Susanne: Wissenschaftsgeschichtlich, konservatorisch, aber auch im Hinblick auf die Besucherinnen und Besucher.
Speaker 4: Man muss sich vor Augen führen, dass das moderne Museum im Grunde genommen aus dieser Idee der Universalssammlungen hervorgeht. Vor 300 Jahren war ja noch der Gedanke der Universal gelehrtheit völlig selbstverständlich, und ein Gelehrter wie Leibniz, aber eben auch wie Franke kannten sich genauso gut mit bestimmten kulturgeschichtlichen Zusammenhängen aus wie. Meinetwegen mit sprachlichen Dingen oder in Belangen der Religion oder auch in der Naturwissenschaft, in der Naturgeschichte sozusagen. Und deswegen liegt es nahe, dass auch damals Sammlungen unter diesem universalen Gesichtspunkt angelegt worden sind. Und die besondere Herausforderung für solch eine Universalsammlung unserer Tage besteht darin, zunächst einmal überhaupt diese Grundidee an das Publikum zu transportieren.
Susanne: Und deswegen wurde im Oktober 2020 ein europaweites Netzwerk gegründet, die Alliance of Early Universal Museums. Thomas Müller Balke ist so etwas wie der Spiritus Rector dieses Netzwerks. Das Taylors Museum in Haarlem in den Niederlanden ist dabei, der Palazzo Poji in Bologna, das Hessische Landesmuseum in Darmstadt, die Esterhazy Privatsammlungen in Österreich und seit letztem Jahr auch die Friedenstein Stiftung Gotha.
Speaker 4: Das Wunderkammer Netzwerk haben wir zunächst mit drei Institutionen gegründet, die solche Universalssammlungen noch haben. Aber mittlerweile sind es insgesamt sechs Institutionen, die an dem Wunderkammer Netzwerk beteiligt sind. Und wir haben bereits ein halbes Dutzend weiterer Kandidaten, die auf der Liste stehen, so dass wir hoffen, dass wir in den kommenden Jahren dieses Netzwerk sehr lebendig und fruchtbar weiterentwickeln können. Unser letztes Treffen hatten wir gerade in Bologna. Und wenn man die Gelegenheit hat, solche Universalssammlungen zu sehen und mit den Kollegen zu reden, wird man natürlich auch inspiriert, mit der mit der eigenen Sammlung dann weiterzumachen. Es geht also auch darum, sich gegenseitig zu informieren und miteinander gemeinsame Projekte zu entwickeln.
Claudia: Gemeinsame Projekte. Vielen Dank, Herr Müller. Maike, Von denen träumt bestimmt auch unser Stiftungsdirektor. Deswegen mit der Frage zurück ins Studio Austausch und gemeinsame Projekte. Mit oder ohne Krokodil? Was ist da geplant?
Susanne: Wovon träumen Sie?
Tobias Pfeifer-Helke: Von ganz vielen Projekten. Wir denken ja nur nach Projekten heutzutage. Äh, nein. Also, äh, um. Ist eine ganz wichtige Plattform für den gemeinsamen Austausch. Und die Aufnahme in das Netzwerk. Macht auch deutlich, wo der Friedenstein hingehört. Also es gibt Residenzen landauf, landab, in Thüringen, in Mitteldeutschland, überall. Aber diese Residenzen sind natürlich nicht alle in dem Verbund drin und der Verbund ist ein internationaler Verbund und damit haben wir sozusagen die Flughöhe für den Friedenstein auch erreicht. Also von daher ehrt uns das sehr, dass wir da aufgenommen worden sind. Da kann man also keine Mitgliedschaft beantragen, sondern da wird man angefragt, ob man da mit dabei sein möchte. Und die Kollegen haben uns natürlich gefragt Wann seid ihr so weit, Wann versteht ihr euch als großes, international orientiertes Universalmuseum? Und jetzt mit der Weiterentwicklung des Friedensteins war das möglich, dass wir in diesen AEUM-Verbund reingekommen sind. Und wir denken natürlich ganz massiv über gemeinsame Projekte nach, weil die Aufgabe natürlich ist, die Universal Sammlung bzw das Thema der Universalität im 21. Jahrhundert weiterzudenken. Ich glaube, das Thema ist aktueller denn je und es ist ja wiedergekommen als aktuelles Thema. Was heißt das? Was macht das mit uns Menschen? Wie denken wir, wie stellen wir uns eine ganzheitliche Welt vor? Das ist eigentlich der ganz große Rahmen. Und im Augenblick werden wir jetzt in der nächsten Tagung in Darmstadt darüber nachdenken, wie Kunst und Kultur sich gemeinsam mit der Natur berühren, welche Schnittstellen es gibt, welche Überschneidungen es gibt, welche Gemeinsamkeiten es können wir von der Natur, von den Naturwissenschaften auch in der Kulturwissenschaft auch lernen? Also wird eine ganz spannende Diskussion, weil es eine offene Diskussion ist, weil wir nicht in einem universitären Rahmen diskutieren, sondern sozusagen zwischen den Kollegen, die mit den gleichen Problemen auch beschäftigt sind.
Susanne: Das ist letztlich ja auch das, was Sie bei uns im Haus, womit sie jonglieren, dass Sie eben so ganz unterschiedliche Disziplinen auch unter einen Hut zu bringen haben Naturwissenschaftler, Kulturwissenschaftler, Kunstwissenschaftler.
Tobias Pfeifer-Helke: geben. [0.0s]
Susanne: So, [0.0s] und warum soll man jetzt eigentlich auf den Friedenstein kommen? Was ist das Tolle?
Tobias Pfeifer-Helke: Es ist der eigentlich der ideale Ort einer Residenz der frühen Neuzeit, die man da erleben kann. Das ist das eine. Aber auf der anderen Seite liegt Gotha an der A4, und zwar in unmittelbarer Nähe des Thüringer Waldes. Und es kombiniert sich einfach Natur, Kunst und Kultur ideal und es gibt ein Rundum Sorglos Paket. Also man kann wirklich Kultur auch im mitteldeutschen Raum ganz dicht erleben. Also es ist einer der Kulturräume in Deutschland. Mit einer unglaublichen Tradition wird es beispielsweise auch fürs Luthertum, aber auch noch weiter in das 15., 14. Jahrhundert zurück. Es war immer ein Durchgangsraum gewesen, in dem man von Nord nach Süd, von West nach nach Ost gekommen ist, ganz dicht, voller toller Natur und auch ganz dicht mit großartiger Kultur.
Susanne: Und es hat einen ICE Bahnhof auch noch.
Tobias Pfeifer-Helke: Und es hat einen ICE halt genau den beispielsweise die Nachbarstadt Mitw nicht hatte.
Susanne: Ja, ja, vielen Dank, dass Sie heute da waren, unsere Themen vorgestellt haben und sein Gemischtwarenladen. Ho, ho, ho, ho, ho.
Tobias Pfeifer-Helke: Ho.
Susanne: Ho, ho, ho, ho, ho, ho! Weihnacht.
Speaker 4: Wollen wir das wirklich so senden?
Tobias Pfeifer-Helke: Was heißt hier Gemischtwarenladen? Den haben wir ja sortiert.
Susanne: Genau. Wir haben den sortiert in 18 Sammlungsbereiche.
Tobias Pfeifer-Helke: Also Universalsammlung mit einer weltweiten Ausstrahlung, die wir wiederbeleben und wiederentdecken wollen.
Susanne: Ja, das ist doch ein schönes Schlusswort. Dann danke noch mal und bis bald.
Tobias Pfeifer-Helke: Herzlichen Dank. Gemacht.
Tobias Pfeifer-Helke: Mehr als ein Schloss. Universum. Friedenstein. Der Friedenstein. Das sind Susanne ar, Claudia Klein und Oliver Brot. Heute hat uns unser Stiftungsdirektor das Universum erklärt. Ein preußischer Gelehrter hat sich kolossal geirrt. Und Thomas Müller? Balke von den fränkischen Stiftungen in Halle hat Wunderkammer Netzwerkt. Danke fürs Zuhören und bis zum nächsten Friedensteiner Funkenschlag.
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