#21 Fotos machen Geschichte

Shownotes

Gemeinsame Feste, Subkultur, Alltagsbeobachtungen – Geschichte besteht auch aus Ereignissen, die keinen Widerhall in offiziellen Quellen finden. Sind sie deswegen weniger erinnerungswürdig? Nein! Sagen Agnès Arp und Elias Peter in unserer heutigen Folge. Sie berichten über das Projekt „Die kleine Freiheit: Feste, Fotografie, Oral History“, das Forschende und Studierende der Universität Erfurt, die Fotobestände der Friedenstein-Stiftung und Seniorinnen und Senioren aus Gotha zusammengebracht hat.

Beitrag 1: Wie hört es sich an, wenn die Zeitzeug*innen sich erinnern? Claudia hat mit Frau Sturm gesprochen, deren Fotografien und Erinnerungen in das Forschungsprojekt eingegangen sind.

Beitrag 2: Oral history, Sprechen und Berichten sind bislang auch im Museumsraum eher ungewöhnlich. Hier herrschen Ruhe und andächtiges Schweigen. Zwei Protagonisten eines Stilllebens wollen das ändern.

Krabbe und Hering stammen übrigens von diesen Gemälden, die im Herzoglichen Museum Gotha hängen:

Abraham Hendricksz. van Beijeren: Fischstillleben mit Krabbe, um 1680

Umkreis Willem van Aelst, Stillleben mit Hering, um 1660

Hier die Projektbeschreibung auf unserer Seite: https://www.stiftung-friedenstein.de/aktuell/die-kleine-freiheit-feste-fotografie-oral-history Einige der Fotos von Frau Sturm findet ihr hier: https://www.friedensteine.de/sammlung

Die Uni Erfurt berichtet hier: https://www.uni-erfurt.de/der-stura-der-uni-erfurt-stellt-sich-vor/newsdetail/wie-aus-einem-foto-lebendige-geschichte-wird und hier: https://www.uni-erfurt.de/philosophische-fakultaet/seminare-professuren/historisches-seminar/professuren/neuere-und-zeitgeschichte-und-geschichtsdidaktik/forschungsstellen/oral-history-forschungsstelle

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Speaker 1: So ein Museum kann echt langweilig sein. Hier muss mehr Leben rein. Und Sprache. Und Stimmen.

Speaker 2: Wir brauchen eine breite Kultur des Zuhörens. Das ist auf jeden Fall ...

Speaker 3: Natürlich war das politisch, aber das musste also sehr gut versteckt werden. Das war auch eigentlich das Interessante an diesen Sachen.

Speaker 4: und hat es tatsächlich sogar eine Person auf dem Bild erkannt und hat gesagt, also das ist wohl mein Schwiegervater von hinten.

Speaker 5: Friedensteinfunk, der Podcast der Friedenstein -Stiftung Goethe. Folge 21. Fotos machen Geschichte.

Susanne: Hallo und herzlich willkommen in einer neuen Folge des Friedenstein -Funks. In unserer heutigen Folge geht es um Oral History, aber auch um Bratwurstbraten, Kelly Family, unsere Jahreshaupt -Ausstellung, um Geschichtsschreibung und ich habe wunderbare Gesprächspartner, die mir vielleicht dabei helfen können, diese Fäden zu verknüpfen. Uns zugeschaltet ist Frau Dr. Arp. Sie leitet seit 2021 die Oral History Forschungsstelle an der Universität Erfurt. und kommt ursprünglich aus Paris und hat Geschichte, Philosophie und Deutsch in Paris, Berlin, Leipzig und Jena studiert. Hallo Frau Dr. Arp. Hallo Frau Finn-Hörr. Und mir gegenüber sitzt Elias Peter, er studiert katholische Theologie an der Universität Erfurt. Hallo. Vielleicht können Sie mir nochmal kurz erklären, was ist eigentlich Oral History, worum geht es heute?

Elias Peter: Oral History heißt quasi eigentlich mündliche Geschichte und es geht darum, einfach das Erzählen als eine Form der Erinnerung historisch als Quelle verwertbar zu machen.

Susanne: Und was macht jetzt der katholische Theologe in Gotha auf dem Friedenstein?

Elias Peter: Also das hat mit der Uni Erfurt zu tun, wo es das Angebot des sogenannten StuFus, also eines Studium Fundamentale gibt. Der Sinn ist quasi, dass es verschiedene Angebote und Seminare und Veranstaltungen gibt, die so konzipiert sind, dass sie von Studentinnen und Studenten verschiedenster Studienrichtungen belegt werden können und dadurch kommt immer eine bunte Mischung zusammen aus allen Studienrichtungen. und man konnte sich da drauf bewerben und in der Theologie ist ja auch viel mit Geschichte und oral history klang irgendwie spannend, deswegen habe ich mich dafür beworben und saß dann mit über 20 anderen Studierenden dort zusammen, die auch aus jeweils unterschiedlichen Fachbereichen kamen.

Susanne: Das ist das Seminar Die Kleine Freiheit, Feste, Fotografie, Oral History eben. Geleitet wurde das von Dr. Jana Mangold. Die ist die wissenschaftliche Koordinatorin für das Forschungsnetzwerk Kulturtechniken des Sammelns. Können Sie mir beschreiben, was Sie gemacht haben? Also es ging auch um Fotos, die bei uns im Archiv liegen. Aber worum genau ging es?

Elias Peter: Also es ging darum, ausgehend von den Bildern, die aus der Fotografiesammlung der Friedensteinstiftung kamen, zu schauen, was steckt hinter diesen Bildern. Also es waren vor allem Fotografien aus der DDR -Zeit und wir wollten mithilfe der Methode von Oral History ein bisschen Hintergründe dazu erarbeiten, beziehungsweise mit den Grotern ins Gespräch kommen, wie sie sich an diese Feste erinnern, was es für sie bedeutet hat, ob es... Orte der Freiheit waren, wie es ja auch schon im Seminartitel so mit anklang, und einfach ausgehend von diesen Bildern gemeinsam ins Gespräch kommen und dann schauen, was sich da so ergibt.

Susanne: Genau, und auf diesen Bildern waren jetzt eben auch die Bratwurst und auch die Kelly -Family, die Mama eigentlich gar nicht sah, zu sehen. Mit wem haben Sie da gesprochen und welche Bilder gab es da?

Elias Peter: Also jede Gruppe hatte unterschiedliche Bilder. Also in dem Interview, was ich führen durfte, da war es so, dass es einmal ein Bild von einer Betriebsfeier gab, was einfach so in einem ungezwungenen Rahmen hinter der Stadthalle stattgefunden hat. Dazu gab es dann auch noch ein anderes Bild, was quasi das Bratwurstgrillen quasi auch zeigt. Es war so eine Art Wohngebietsfest. und ausgehend von diesen Bildern haben wir uns dann. dass du das auch zeigst. eben mit Senioren und Senioren in der Stadt Goethe unterhalten. Immer jede Gruppe hatte einen Interviewpartner. Und dadurch sind da sehr unterschiedliche Ergebnisse, auch zum Teil unterschiedliche Kommentare zu den gleichen Bildern zustande gekommen.

Susanne: Können Sie mir ein Beispiel geben, was waren das für Kommentare?

Elias Peter: Also beispielsweise bei dem Bild von der Betriebsfeier hat man jetzt einfach nur eine Feiergesellschaft gesehen und wir wussten jetzt gar nicht genau, wo ist dieses Bild entstanden und da hat mein Interviewpartner relativ schnell gesagt, das ist hinter der Stadthalle, das ist eine Betriebsfeier und hat tatsächlich sogar... eine Person auf dem Bild erkannt und hat gesagt also das ist wohl mein Schwiegervater von hinten. Also da merkt man, dass Geschichte auch immer persönlich ist und gerade mit alteingesessenen Bewohnern der Stadt Goethe kommen da auch viele interessante Erkenntnisse zutage, die ich jetzt als Student vorher gar nicht so auf dem Schirm gehabt hätte.

Susanne: Und hat sich dadurch so ein bisschen ihre Sicht auf die DDR oder vielleicht auf die eigene Familiengeschichte verändert?

Elias Peter: Also es ist auf jeden Fall schon so, dass die Perspektive des Interviewpartners in meinem Fall doch eine etwas andere war, als die, die ich jetzt von meiner Mutter beispielsweise so kannte, weil der Kontext unterschiedlich war. Die Interviewperson hat halt schon dezidiert gesagt, dass sie auch irgendwie rebellisch und systemkritisch war, aber gleichzeitig das vorhin eine Art und Weise getan hat, dass sie quasi keine großen Nachteile deswegen erlitten hat. Während jetzt bei meiner Mutter durchaus die Erfahrung war, beispielsweise aufgrund eines christlichen oder kirchlichen Hintergrunds nicht die weitere Schullaufbahn weitermachen zu können, was natürlich schon eine andere Form der Repressalien ist, als das jetzt beispielsweise bei der interviewten Person der Fall war.

Susanne: Also war es dann letztlich so, dass auch erzählt wurde, dass in diesen Feiern so die Freiheit dann gelebt wurde? Also war das so ein Ventil?

Elias Peter: Also es wurde durchaus je nach Kontext, also jetzt gerade bei der Betriebsfeier wurde gesagt, also es war schon auch so ein Gefühl der Freiheit, aber man wusste halt gleichzeitig, mit wem man jetzt vielleicht jetzt nicht gesprochen hat, wenn man keinen Ärger haben wollte, weil man kannte ja dann irgendwann auch die betreffenden Personen, wo es vielleicht kritisch werden könnte. Und gleichzeitig wurde auch viel von Feiern in der Stadthalle, auch im Kontext der Beatmusik, Goethe als Beathoft statt, der DDR. Ach so, echt? Wirklich? Genau, also da war unsere Intendierte Person, der dahinter hat auch irgendwie... Achso, echt? Wirklich? im Nachhinein viel dazu zu erzählen gehabt und hat halt gerade das wirklich auch als Ort der Freiheit erlebt, weil da teilweise auch wesentlich mehr Westmusik gespielt wurde als eigentlich erlaubt.

Susanne: Okay, das ist interessant, das wusste ich nicht. Und gab es irgendwas, was Sie überrascht hat an den Äußerungen Ihres Gesprächspartners?

Elias Peter: Also spannend wurde es natürlich auch, wenn man vielleicht ausgehend von dem Bild auch nochmal auf andere Themen so zu sprechen gekommen ist und da war auf jeden Fall eine Sache, an die ich mich auch noch gut erinnern werde, so eine Schilderung, wie es früher war, als der Zirkus in die Stadt kam. Also wir hatten davon kein Bild, aber irgendwie sind wir im Laufe des Gesprächs da drauf gekommen und da wurde halt beschrieben, dass der Zirkus früher mit dem Zug ankam und dann quasi der große Tross mit Elefanten und Kamelen durch die Stadt zu. Und deswegen teilweise die Schulkinder versucht haben, so ein bisschen bei der Schule oder bei der Ferienbetreuung einfach mal auszubüxen, um sich dieses Spektakel anzuschauen. Und das war auf jeden Fall auch so eine kleine Anekdote, die einfach sehr bildhaft ist.

Susanne: Das kann man sich heute so gar nicht mehr vorstellen, da läuft es ganz anders ab. Genau. Das war ein super Stichwort, denn auch Claudia hat sich mit jemandem unterhalten und da ging es auch um Zirkus. FF: Erzählen, fotografieren, festhalten, feiern, zuhören – das hört sich gut an! Weil ich neugierig geworden bin, was die Zeitzeug*innen so erlebt haben, bin ich selbst auch losgezogen und habe Karin Sturm getroffen. Sie ist nicht nur Zeitzeugin, sondern auch eine der Fotografinnen unseres Projekts. Und eine absolut bemerkenswerte Wahl-Gothaerin: O-Ton: Also, ich bin 1975 von Halle, wo ich studiert habe, nach Gotha gekommen, aber als Erwerbsunfähigkeitsrentnerin. Ich war damals 22, hab also ne außergewöhnliche oder ungewöhnliche Krankheit und bin damals eben schon gleich berentet worden, während des Studiums. Und dann stand ich eigentlich da: Was nun? Arbeiten konnte ich nicht, aber ich wollte etwas tun. Und da bin ich hier nach Gotha gezogen, zu ner Freundin, die im Museum arbeitete, weil ich mich schon immer für Kunstgeschichte und so etwas interessiert habe. Und 1975 ist ein neues Denkmalpflegegesetz rausgekommen in der DDR, und da wurde jemand gesucht, der ehrenamtlich Baudenkmallisten mit erstellt. FF: Das war sie, Frau Sturm! Und sie war dafür um so geeigneter, als sie selbst in wahrlich historischen Verhältnissen lebte – in einem winzigen Haus in der Gretengasse, mitten im mittelalterlichen Stadtkern von Gotha, rund um den Hauptmarkt, den Neumarkt… O-Ton: … und daran schlossen sich verschiedene… also 5 oder 6 verschiedene Gassen an, mit ganz kleinen Häuschen, mittelalterlich, unten drunter uralte Tonnenkeller, also ein historischer Stadtkern. Aber er war eben völlig verwahrlost, es war so, dass eigentlich in allen Häusern alles kaputt war. Unser Haus hatte eine Wasserstelle auf dem Hof, hatte nen Plumpsklo, auch übern Hof drüber, also es war sehr primitiv. Und das sollte eben alles abgerissen werden. Und so kam es dann auch. Es wurde wirklich flächig abgerissen. Auch unser Haus wurde abgerissen… FF: Davor hatte Frau Sturm natürlich die ganzen mittelalterlichen Gebäude fotografiert! Aber aus diesem eigentlich traurigen Abrissgeschehen entwickelte sich mir nichts dir nichts eine ziemlich originelle Fest-Idee: O-Ton: Ähm… entstanden aus einer privaten Abrissfete, nämlich unserer. In den Gassen, als wir da raus mussten, da haben wir unsere Kollegen aus dem Museum eingeladen zum Feiern. Und daraus ist eine Faschingsreihe entstanden. Also im Kleinen angefangen, das wurde immer mehr. Und dann hat sich noch der Konzertchor dazu gesellt. Also aus dem Privaten entstanden, aber zum Schluss haben wir die Stadthalle gemietet. Also, wir haben daraus ein großes Faschingsevent gemacht. Über viele Jahre haben wir diese jedes Jahr so einen Fasching gemacht und es war für uns ein tolles Fest. Für die Mitmachenden auch. Es kam dann auch aus anderen Museen, aus Gera und aus Erfurt und überall kamen die auch zu dem Faschingsfest dazu. Also das war sozusagen auch aus einem Privaten entstanden und auch immer privat weitergeführt. Es gab jedes Mal ein Motto zu dem Motto gab es dann ein Programm 40 Minuten… was weiß ich Zirkus, Fasching oder Theater. Einmal hatten wir das Thema Theater. Da wurden also ganze Theaterstücke aufgeführt. Und dann gab es also immer Büttenreden und musikalische Beiträge. Und die Leute waren also sehr aktiv, selber aktiv. Die ließen sich nicht berieseln, sondern alle machten richtig aktiv irgendwelche Beiträge zu diesem Fasching. Wir haben es gemacht und haben Spaß daran gehabt und haben selber mitgemacht und die halbe Nacht getanzt und gut. Wir hatten uns auch immer irgendeine Kapelle bestellt oder so, das war dann schon… ja, ein Highlight immer im Jahr. Ich hab das natürlich alles fotografiert. Es war eigentlich eine tolle Sache. Beim Zirkus-Fasching zum Beispiel, da haben wir in dem Kulturhaus, wo wir das gefeiert haben, da haben wir ein riesiges Zirkuszelt aus Krepppapier gemacht. Ja, und dann kamen die Leute auch als Tiere. In Ohrdruf gab es eine Fabrik, die machte so Tiermasken. Ja, die hatten wir uns dann mal ausgeliehen oder auch welche gekauft. Und dann gab es eben Esel und was weiß ich, Kühe und sonst was alles auch. Und alle machten irgendwelche Vorführungen… FF: Und diese Vorführungen… waren auch politisch? O-Ton: Natürlich war das politisch, aber das musste sehr gut versteckt werden. Und da, das war auch eigentlich das Interessante an diesen Sachen. Es gab in einem Jahr, weiß ich, da gab es Worte, die nicht benutzt werden durften. Ja, die wurden aber so umschrieben, dass hinterher jeder wusste, worum es geht. Also das war auch die Herausforderung jetzt, politische, halbpolitische, menschliche Schwächen aller Art aufs Korn zu nehmen und je nachdem, also die Leute waren ja auch unwahrscheinlich talentiert. Es war ja auch ein bisschen so ein Ventil für diese, diese Zeit in der DDR, die ja auch oft sehr, sehr bleiern war, also sehr mit… mit wenig schönen Sachen. Und da war das ein echtes Ventil, so eine Veranstaltung und auch eine Möglichkeit, kreativ zu sein. Also, man hat sich ja auch viel in so eine Art Nische zurückgezogen. Irgendwo musste man ja auch seine Kreativität lassen und Individuelles war ja nicht unbedingt gefragt zu DDR Zeiten, Also es musste schon immer im Rahmen des Kollektivs oder irgendwie sowas sein. Aber wenn man das nicht unbedingt wollte oder andere Ideen hatte, dann hat man sich schon was gesucht, wo man sich ausleben konnte, und das war eben viel im privaten Bereich auch. FF: Die Faschingsfeste, aus denen politische Veranstaltungen werden, das sang- und klanglose Verschwinden des alten Gotha – Frau Sturm erinnert sich. Und zwar gerne. O-Ton: Und ich finde das eine sehr schöne Sache, diese Kombination zwischen Alt und Jung und auch diese Fragen, die die dann stellen zu Zeiten, die sie nicht miterlebt haben, DDR Zeiten oder so… Na, da haben wir ja unendlich viel zu erzählen Und das ist auch interessant, was durch diese Fragen aus irgendeiner hinterletzten Schublade wieder vorgeholt wird, dass man selber auch über sein Leben wieder ein Stück reflektiert. Wahrscheinlich kommt das mit 70 massiv, dass man dann über sein Leben nachdenkt. Nun haben wir ja das interessante Leben 35 Jahre in dem anderen Deutschland oder in der DDR, die es nicht mehr gibt. Und dann die zweite Hälfte des Lebens im zusammengelegten Deutschland. Und insofern kommt da natürlich alles Mögliche hoch, auch aus der Vergangenheit. Einesteils schön, andererseits ist man erstaunt, was dann doch irgendwo gespeichert ist, was lange nicht benutzt wurde und was dann doch durch Fragen oder durch Unterhaltung wieder hochkommt. Ich habe lange nicht so viel über mein vergangenes Leben nachgedacht wie in der letzten Zeit.

Susanne: Ja, Frau Dr. Arp, ich würde gerne mit Ihnen ein bisschen noch über Geschichte oder auch die Quellen der Geschichte sprechen. Wenn man jetzt hört, was Frau Sturm zum Schluss gesagt hat, eben, dass sie über ihr Leben nachgedacht hat, da kam mir sofort in den Sinn, dass das ja doch sehr subjektiv ist. Und kann man sagen, dass oral history eher so eine subjektive Form der Geschichtsschreibung ist oder sind die anderen Formen, welche gibt es da überhaupt, objektiv?

Agnès Arp: Ja, wunderbare Frage, die mich natürlich immer wieder beschäftigt. Natürlich ist die oral history, arbeitet sie mit subjektiven Quellen und das will sie auch und so muss es auch sein. Und wenn man also über weitere Quellen der Historiker nachdenkt, mit denen andere Menschen wissenschaftlich arbeiten, dann hat man tatsächlich... meistens mit subjektiven Quellen. Wenn ich ins Archiv gehe, ins kommunale Landesarchiv, Stadtarchiv, egal welches Archiv, Unternehmensarchiv, da habe ich mit Schriften zu tun, die Menschen geschrieben und erstellt haben. Also ich will damit sagen, dass jede Schrift von einer Person getätigt wird, die zwangläufig filtert. bestimmte Sachen, Dinge verschweigt, andere betont, je nach Laune, ja, ihre Sicht starkmacht. Also grundsätzlich haben wir, und das ist das, was der Historiker lernt, nämlich Quellenkritik. Das ist der Grundstein dieser Zukunft, dass man lernt, was hinter der Quelle steht, an Kontext. Entstehungs -Situation, Kontext im Sinne von wann wurde es geschrieben, von wem bzw. dieses Interview, das ich mir anhöre, wer hat das wann wie gesagt. Also es ist immer so diese Sorge, diese Sorgfalt, diese Neugier für die Quelle und sag ich mal deren Mikrokosmos.

Susanne: Da sind wir heute vielleicht auch, also nicht nur als Historiker ein bisschen sensibilisiert, wenn es immer um Fake News geht, da wo man dann ja auch genau hinguckt, wer sagt das, warum sagt das jemand, hat man das aus dem Kontext gerissen oder so, es geht vielleicht auch ein bisschen in die Richtung. Unbedingt, ja. Können Sie vielleicht oral history in das Ganze einordnen, wie kann Sie die Quellenlage noch bereichern oder was ist das Besondere daran?

Agnès Arp: Also, da red ich sehr gerne nach wie vor aus der Sicht des Historikers, denn Oral History ist eine interdisziplinäre, ja, Disziplin, sag ich mal. Also es ist, man kann sehr lange darüber reden, mündliche Geschichte. Es gibt mündliche Geschichten seitdem der Mensch lebt. traditionell verwendet, es wird in der Literatur auch eingespeist, in der Kunst und so weiter und so fort. Jedes Fach, jede Disziplin geht damit ein bisschen anders um. Was wir Historiker, also und das ist relativ jung in der Geschichte, ich würde sagen seit ungefähr seit den 70er Jahren in Europa, in Amerika, in der Welt. professionelliert sich die Oralistory in der Geschichtswissenschaften. Und warum brauchen wir das? Nicht jeder Historiker, muss ich hinzufügen, ist davon überzeugt, dass Oralistory wichtig ist. Also es gibt da immer noch... Sorry, wie süß ist es? große Skepsis, genau gegenüber der sogenannten Subjektivität von mündlichen Quellen. Gut, ich will diese Debatte nicht wieder jetzt vertiefen. In dem Fall, wo ein Historiker sich der Oralistory widmet, schafft er seine Quelle. Also, indem er ein Erinnerungsinterview führt, ein lebensgeschichtlicher Interview führt, mit der passenden Methodik und das ist extrem wichtig und das ist etwas, was sich immer mehr verbreitet.

Susanne: Dann können wir vielleicht gleich auch mit Herrn Peter nochmal drüber reden, ja? Unbedingt, ja.

Agnès Arp: Dann schafft er seine Quelle und es war sehr lange ein bisschen aus meiner Sicht das Problem, dass viele Kollegen irgendwie Interviews führen, also am Ende Gespräche führen, ja, mit sogenannten Betroffenen bzw. Zeitzeugen. Und das, was jetzt heute und weshalb ich auch diese Oralysoi -Forschung stelle, auch... Aufbau ist, dass Historikerinnen und Kollegen die Methode des Interview -Führens lernen. Denn es ist gar nicht selbstverständlich.

Susanne: Da können wir ja gleich nochmal genauer drauf eingehen. Sie haben sich ja auch auf die Ostdeutsche Erfahrung, auf die Ostdeutsche Geschichte DDR spezialisiert. Können Sie nochmal auf die Ostdeutsche Erfahrung eingehen?

Agnès Arp: Ja, sehr gerne, genau. Erstmal die Horror History Forschungsstelle der Universität Erfurt widmet sich hauptsächlich der Erfahrungswelt der Menschen, die in der DDR sozialisiert wurden, generell. Die Geschischreibung über die DDR -Geschichte wurde bis ungefähr 2005 von schriftlichen Quellen, sprich von polizeilichen Quellen, massiv. beherrscht. Und das hat dann der Blick natürlich verdreht. Man schreibt eine andere Geschichte, je nachdem, welche Quellen dazu herangezogen werden. Das liegt auf der Hand. Und das ist für tief setzende Kränkungen auch gesorgt, innerhalb der ostdeutschen Gesellschaft. Ja, und für sehr partielle Wahrheiten oder Erklärungsangebote dieser Geschichte. Und was bringt die Oral History? Die bringt die andere Welt, nämlich die Erfahrungswelt, wie ich schon sagte, der Betroffenen.

Susanne: Das heißt, auch die Herausforderungen, mit denen wir jetzt zu tun haben, zum Teil, dass eben die extremen Seiten erstarken, hat dann auch was mit dieser einseitigen Geschichtsschreibung zu tun.

Agnès Arp: Ja, auf jeden Fall. Einseitige Erzählungen sind nicht fördend in keinster Situation. Um Ihre Frage zu Ende zu antworten von vorhin, was bringt uns lebensgeschichtliche Interviews in der Geschichte? Nuancen, Graustufen, Widersprüche und ja... Komplexität. Und das ist die, die bringen ein Stück Alltag, die Erfahrungswelt der Befragten. Und in all deren Komplexität. Und das ist das, was man in den schriftlichen Quellen zum Beispiel gar nicht findet. Oder selten oder anders.

Susanne: Das heißt, da hat sich dann schon Narrativ etabliert und das kann man gar nicht mehr so richtig aufbrechen und beeinflusst auch das, was dann darüber gesagt wird?

Agnès Arp: Ja, beziehungsweise diese Schriften, diese Testimony, vielleicht könnte man auch noch sagen, sind meistens, wenn man von schriftlichen Quellen redet, Quellen von Institutionen, sprich Quellen von Orte, die die Macht ausüben. Also Oral History hat sehr viel mit Macht und selbst Empowerment zu tun. Nämlich, es gibt viele Gruppen und Menschen, die innerhalb dieser schriftlichen Quellen gar nicht auftauchen, weil sie keine Lobby oder keine mächtigen Institutionen gehören. Welche wären das jetzt zum Beispiel? Welche Institutionen? Also ich rede jetzt von allen Institutionen, die wir kennen, Ministerien, Büros, Schulen, also alles, was unseren Alltag ausmacht. Universitäten? Ja, natürlich, Universitäten, alles. Museen und so weiter. Heimkinder ist ein sehr gutes Beispiel. Heimkinder sind keine starke Gruppe in der Gesellschaft. Also sie werden nicht groß berücksichtigt oder behindert oder Menschen, die sozial schwächer sind, hinterlassen kaum Spuren in Institutionen. Also Heimakten werden auch oft vernichtet, sind kaum zugänglich, also es gibt... mehrere Beispiele. Und das ist einerseits die Stärke dieser Methode der Oralysory, dass man an eine gewisse Realität heran kommt, die sonst verschwiegen bleiben würde. Und die andere Kraft der Methode, wofür ich sie auch wirklich seit 25 Jahren genauso Liebe wie vor Beginn. ist die hohe Subversivität dieser Quelle. Nämlich, dass man an gewisse Aspekte einer Geschichte, eines Themas herangeführt wird, die bis jetzt komplett ...

Susanne: negiert wurden. Das ist spannend. Das heißt, sie können vielleicht sogar Machtverhältnisse irgendwann umstürzen, indem sie mehr Stimmen oder mehr Quellen schaffen. Absolut.

Agnès Arp: Das ist der springende Punkt. Also jeder eine Stimme geben. Also die Person, die interviewt wird, erhebt ihre Stimme. Also indem sie ihre Geschichte, ihre Biografie ausführlich erzählt, wird sie wahrgenommen.

Susanne: Ja, auch in unserem nächsten Beitrag unterhalten sich zwei, die sonst eher nicht gehört werden. Es sind zwei Fischdelleben aus unserer Sammlung im Herzoglichen Museum, ein Hering und eine Krabbe.

Speaker 5: Friedenstein inspiriert. Krabbe: Hey, psst! Hering! Hering: Jau, wer ruft? Krabbe: Ich, die Krabbe. Von nebenan. Hering: Nebenan? Krabbe: Rechts neben dir. Hering: Rechts neben… Jau, die olle Krabbe! Lang nichts mehr von dir gehört. Aber ist ja klar – wir sind ja auch Stillleben! Und Stillleben… die haben’s eben nicht so mitm Schnacken, ne? Sonst wären’s ja keine Stillleben, ne? Krabbe: Aber… findest du das nicht auch blöd? Hering: Was jetzt? Krabbe: Dass wir Stillleben sind. Also, dass wir Stillleben heißen. Und immer den Mund halten müssen. Ich zum Beispiel. Ich liege auf dem Rücken, auf den ganzen Flundern hier… Hering: Wie gerade vom Kutter gefallen! Krabbe: Ja. Und wenn ich wenigstens mal jemanden bitten könnte, mich umzudrehen, damit ich nicht alles auf dem Kopf… Hering: Das geht nicht, olle Krabbe. Wo denkst du hin? Dat ist hier ein Museum. Da werden keine Kunstwerke verändert. Und die Menschen, die hier langkommen, die werden erst recht nicht angequatscht. Krabbe: Ja, aber warum denn nicht?Warum muss immer alles ruhig sein? Im Museum, im Stillleben. Warum darf man nicht sprechen?Nicht immer nur ehrfürchtiges Schweigen… Hering: … und vorsichtig schreitende Menschen. Die glotzen, wenn ich das mal so sagen darf, wie die Fische. Nun ja, also bei uns – bei den Fischstillleben – da sagen manche auch „ihh!“ und „wie ecklig“. Und andere sagen „lecker Fisch“, und noch andere sagen: „Ja, ja, die Stillleben. Vanitas und Memento mori, alles Irdische ist vergänglich.“ Aber dann gehen sie schnell weiter. Krabbe: Und das ist doof. Hering: Jau, du hast recht. So ein Museum kann echt langweilig sein! Hier muss mehr Leben rein. Krabbe: Und Sprache. Und Stimmen! Aber die Museumsleute sagen, sie wollen kein Gerede im Museum. Man soll die Gemälde in aller Ruhe und Ehrfurcht anschauen. Und wer mehr wissen will, der kann ja die Schildchen und die Wandtexte lesen. Aber… wer eigene Ideen, eigene Fragen, eigene Geschichten hat? Hering: Jau, der muss trotzdem den Mund halten. Also mich würde es überhaupt nicht stören, wenn die Leute mir mal erzählen würden, wer sie so sind und woher sie kommen und was sie hier machen im Museum. Krabbe: Oder wenn sie es sich untereinander erzählen würden… und wir könnten zuhören. Hering: Fänd ich gut! Krabbe: Reden, Geschichten, Erinnerungen… hier bei uns im Museum!Wir wollen keine Stillleben mehr sein! Hering: Dann man tau! Fragt doch einfach mal die Leute. Vielleicht findest du ja einen, der dich umdreht und wieder auf die Füße setzt. Und dir seine Geschichte erzählt. Krabbe: Ich trau mich nicht. Hering: Mensch, Krabbe, du bist ja ne olle Bangbüx! Dann übernehm‘ ich das. Moin, mein Herr! Ja, Sie da! Sagen Sie, sind sie… ein… Museumsbesucher? Und essen Sie gerne Fisch? Oder warum sind Sie hier ins Museum gekommen? Mein Freund, die Krabbe, rechts neben mir… die hätte da mal eine kleine Bitte…

Susanne: Genau, der Hering möchte sich ja jetzt auch schon am Interview versuchen, aber so wie er es jetzt angeht, ist es wahrscheinlich nicht ganz richtig. Wie wäre denn das im Sinne der All History richtig? Wie funktioniert das methodisch? Vielleicht können Sie, Herr Peter, nochmal erklären, wie Sie da vorgegangen sind.

Elias Peter: Wir haben uns auf jeden Fall vor der Interviewführung im Rahmen eines Workshops, eines Studientags so ein bisschen auch mit der Methode beschäftigt und haben es da auch in kleineren Gruppen geübt. Und sehr essentiell ist es wirklich, dass man eine offene Ausgangsfrage stellt, wo die andere Person ins Erzählen kommt. Das heißt, dass es kein Hin und Her, kein direktes Frage -Antwort ist, sondern erst mal eine offene Frage, beispielsweise, wir haben Ihnen ein Bild mitgebracht. wenn sie sich das anschauen, woran erinnern sie sich oder was verbinden sie damit. Und dann ist es wirklich erst mal die Kunst, wirklich nur zuzuhören und eben nicht einzuhaken. Und erst, wenn die Person dann wirklich alles erzählt hat, vielleicht dann auch nach einer kleinen Unterbrechung, nach einer Denkpause nochmal was erzählt, dass man dann erst einhakt mit Fragen, die einem vielleicht beim Zuhören gekommen sind. Wie können sie das nochmal genauer ausführen? Oder da habe ich sie nicht richtig verstanden. meinen sie das so oder so? Und dass man auf diese Art und Weise wirklich die interviewte Person zu Wort kommen lässt und nicht immer direkt einhakt und vielleicht irgendwie sagt, dazu fällt mir auch noch eine tolle Geschichte ein oder ich denke das und das dazu. Das ist auf jeden Fall nicht die richtige Vorgehensweise.

Susanne: Das habe ich, glaube ich, eben schon falsch gemacht in unserem Gespräch. Aber wir sind ja auch nicht im Aural History. Obwohl vielleicht machen wir auch gerade Aural History, ich weiß gar nicht.

Elias Peter: Dann müssen wir es nur in der entsprechenden Datenbank am Ende hochladen.

Susanne: Okay, gut. Muss man irgendwie die richtigen Quellen aussuchen? Gibt es richtige Quellen oder falsche oder wie findet man die Quelle?

Elias Peter: Also die Quelle, die erstellt wird, ist ja letztendlich das Gespräch und was der Ausgangspunkt des Gesprächs ist, das kann ja sehr unterschiedlich sein und auch die Frage worüber man sich am Ende in diesem Gespräch auch unterhält, was vielleicht mit der Ausgangsquelle am Anfang wenig zu tun hatte und von daher kann da Quellen für ganz verschiedene Bereiche entstehen. Also ausgehend von einem Betriebsfest waren wir irgendwie fünf Minuten später bei der Frage, warum in der DDR Tauchgeräte immer polizeilich gesichert um Fluchtversuche zu verhindern, weil es echt Leute gab, die die mitgenommen haben und dann beispielsweise durch den Fluss getaucht sind. Und das war jetzt auch so eine Sache, damit hatten wir es nicht gerechnet, als wir mit dem Bild ankamen. Aber das war eine Geschichte, wo die interviewte Person einen Bezug zu hatte und deswegen dazu was erzählen konnte.

Susanne: Ich hab's jetzt vielleicht auch falsch gefragt. Ich meinte mit Quelle der Gesprächspartner. Vielleicht können Sie dazu was sagen, Frau Dr. A. Muss man da auf irgendwas achten?

Agnès Arp: Sprechpartner? Ja, man muss auf ganz viele Arten, also in einem historischen Oral History-Projekt geht es darum, ungefähr 30 Personen lebensgeschlicht zu interviewen. Also Herr Peter hat das auch schon mal sehr richtig gesagt, nämlich offen zuhören. Und das ist dann die Kunst, das ist das, was wir dann ein bisschen geübt haben mit den Studierenden in dem Fall. Wie fragt man nach? Und das ist in dem Fall wichtig, deshalb auch die Frage mit der Quelle, es gibt kein falsches Interviewpartner, es gibt schlechte Interviewerinnen. Und nämlich, dass man erzählgenerierend nachfragt. Wie meinen Sie da? Wie haben Sie da gelebt? Oder wie ging es weiter? Und nicht, wann war das? Ich höre irgendwas. Ich bin selber unsicher, will unbedingt sofort etwas verstehen und unterbreche. Ja, wann war das denn? Genau das ist schlecht. Das Ziel, das wichtigste, wenn man solche Interviews führt, ist, in die Deutungswelt einer Person zu... zu versinken, sage ich mal, oder sich darauf einzulassen, wie die Person natürlich assoziativ erinnert. Und das ist das, deshalb sind diese Tauchgeräte auf einmal erzählt worden. Die Person hatte Zeit und die hat Assoziationen gemacht, wie wir jeder tun, wenn wir uns erinnern. Und darauf kommt es an.

Susanne: Wenn man sich jetzt aber den Titel des Seminars anguckt, da geht es ja dann doch auch schon um Freiheit oder auch vielleicht in der Beschreibung dadurch, wie vielleicht so Systemerfahrungen sein können. Das wird dann praktisch erst danach drauf gesetzt. Also man fragt jetzt nicht unbedingt nach Freiheit oder nach … Nein.

Agnès Arp: Nein, genau. Die Kollegen haben Bilder ausgewählt, die dieses Thema hatten. Feste, feste Feiern in der DDR. So, und war das auch ein Stück Freiheit im Alltag? Also das ist dann solche Fragen, die wir mit dem Seminar bearbeitet haben. Aber das sagt man nicht den Interviewpartner. Da sagt man nicht, hey, übrigens war das Freiheit für Sie, als Sie da auf dem Markts, oder 1. Mai -Demo oder was, sondern wie erinnern Sie sich an die 1. Mai -Demo? Und dann hört man das raus, ob es ein Stück Freiheit war oder nicht. Und das interpretieren Sie dann? Ja, klar. Klar, bzw. in dem Moment versuche ich die Person selber so genau zu erinnern, dass man da viel Material bekommt.

Susanne: Ja, Frau Dr. Arp hat ja vorhin auch von der Quellenkritik geredet. Was passiert denn jetzt mit dem Material?

Elias Peter: Also wir haben die auch erst mal noch so ein bisschen nachbearbeitet. Also in dem Sinne, dass es auch mal noch ein Protokoll gibt, was auch mit dazu geschrieben wird und was halt auch wichtig ist, um in Nachhinein die Audioquelle interpretieren zu können. Da geht es dann darum, wie war der Kontakt mit den Gesprächspartnern? Ist das Interview am Stück geführt? Gab es zwischendrin vielleicht zwei Stunden Kaffeepause, die nicht mit aufgezeichnet ist? Sowas ist alles wichtig, damit man später mit dieser Audioquelle weiterhin gut verfahren kann. Und ich glaube, dass... zeigt vielleicht auch mit auf, dass es doch jetzt nicht ganz subjektiv ist, sondern dass quasi all die Sachen hier vielleicht nicht in einer Audio -Datei festzuhalten sind. Die Frage von wie wirkt die Person, hat die einen guten Tag, in welcher Verfassung fühle ich mich als Interviewpartner, dass das eben auch irgendwie mitbehandelt wird, ich glaube. Und dieser Reflektionsbericht wird zusammen mit der Audio -Quelle auch im Archiv der Oral History Forschungsstelle auch weiterhin archiviert und kann jetzt auch durch eine Online -Daten -Wang von verschiedenen Forschungsstellen auch weiter genutzt werden.

Susanne: Und wir haben uns ja auch einen Teil dafür abgeschnitten, herausgepickt für unsere Jahreshauptausstellung. Die wird Ende April eröffnet, am 26. und da wird es auch eine Hörstation geben und da kann man sich eben Teile aus den Interviews anhören. Unsere Hauptausstellung heißt „Gotha Genial, Geistesblitze und Dauerbrenner aus 1250 Jahren“. Und es geht letztlich um den Geburtstag der Stadt, 1250 Jahre, und wir gucken eben nicht nur in die Vergangenheit, sondern haben auch die Gegenwart mitgenommen mit diesen Interviews.

Speaker 5: Friedenstein entdeckt.

Susanne: Vielleicht können wir noch mal den Zoom aufmachen. Welche Erkenntnisse nehmen Sie jetzt mit, Herr Peter?

Elias Peter: Also auf jeden Fall die Erfahrung, wie berechnend es sein kann, sich auch als junger Mensch mal mit der älteren Generation zu unterhalten und eben wirklich mal zuzuhören, nicht immer direkt einzuhaken und vielleicht die eigene Perspektive dazu kundzutun, sondern wirklich sich da hineinzudenken, hineinzuhören, hineinzufühlen und dadurch einfach neue Perspektiven auf sowohl die Vergangenheit als auch die Gegenwart zu bekommen. weil die Gesprächspartner häufiger auch einfach einen Bezug zur aktuellen Gegenwart gezogen haben und dann beispielsweise auch gesagt haben, früher war das vielleicht schlechter, aber das haben wir früher auch geschätzt, was wir auch heute vielleicht gesellschaftlich auch mit vermissen.

Susanne: Und jetzt nochmal ein Plädoyer für Oral History, Frau Dr. Arp. Wie kann die Oral History bei der Bewahrung und Erinnerung der Vergangenheit weiterhelfen? Brauchen wir mehr von diesen Projekten?

Agnès Arp: Oh ja, brauchen wir. Wir brauchen viel Geld, damit diese Projekte finanziert werden dürfen. Ja, Quatsch, also Spaß beiseite. Ja, natürlich, wir brauchen geschulte Interviewerinnen, wir brauchen eine breitere Kultur des Zuhörens. Das ist auf jeden Fall dran und wichtig. Und um das alles richtig einzuordnen... gut ausgebildete oder bewusste Personen, die nicht alle so hinnehmen, wie es klingt, tatsächlich.

Susanne: Einen haben sie ja jetzt schon, Herrn Peter, und dann auch noch, glaube ich, 20 andere Studierende, die mitgemacht haben bei dem.

Agnès Arp: Auf jeden Fall. Und es macht mir immer sehr viel Spaß, mit jungen Menschen solche Projekte zu machen. Denn ich kann jedes Mal beobachten, wie sie da erwachen und etwas Neues erproben, kennenlernen und ziemlich überzeugt davon sind meistens.

Susanne: Ja, schön. Wunderbar. Es freut mich auch sehr, dass Sie beide heute hier waren. Es war super interessant und ich würde gerne noch drei Stunden weiterreden, aber das sprengt wie immer den Rahmen. Also ganz herzlichen Dank, Herr Peter und Frau Dr. Arp, dass Sie hier waren und bis hoffentlich bald mal wieder.

Agnès Arp: Ja, vielen Dank, Frau Finne-Hörr. Ja, das ist ein schöner, schöner Name für jemanden, der Podcast aufnimmt. Ja, danke an euch alle, an das Team. Und es war super unkompliziert. Und ja, vielen Dank dafür.

Elias Peter: Ich kann mich da nur anschließen. Vielen Dank.

Susanne: Ja, dann danke nochmal und tschüss, einen schönen Tag.

Elias Peter: Auf Wiedersehen!

Susanne: Auf Wiedersehen! Vielen Dank! Alles Gute! Tschüss!

Speaker 5: Der Friedensteinfunk, das sind Susanne Finne-Hörr, Claudia Klein und Oliver Brod. In dieser Folge haben Agnès Arp und Elias Peter ein gutes Wort für die Mündlichkeit in der Wissenschaft eingelegt. Die Fotografin Karin Sturm hat sich ans Erinnern erinnert und zwei Stillleben haben sich über die Stille im Museum beklagt. Danke fürs Zuhören und bis zum nächsten Friedensteiner Funkenschlag.

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