#27 Der Welterbe-Werber
Shownotes
Was ist so besonders an Gotha? Die Blaublütler? Die beiden Türme des Friedenstein? Die jahrhundertelange Bildungstradition? Oder die Kfz-Versicherungen? Knut Kreuch ist Oberbürgermeister und turnusgemäß immer wieder Stiftungsratsvorsitzender der Friedenstein Stiftung Gotha. Und mit „seiner“ Stadt hat er noch Großes vor…
Beitrag 1: Gotha hat Freunde überall in der Welt. Oliver hat sein Funkgerät angeworfen und Nachrichten aus drei Kontinenten empfangen. Wir danken: Ann Tippitt und Alan May, Eric Vuillemin, Agata Wojda, Mitslal Kifleyesus-Matschie, Frank Klingebiel sowie Kerstin Götze-Eismann, Adam Rzadkowski, Simone Kessner, Emmanuelle Vecchio und Beate Aé-Karguth.
**Beitrag 2: ** Die Weltkarte „Chart of the World“ entstand Mitte des 19. Jahrhunderts in Gotha und zeigt die Verbindungen zwischen den Kontinenten. Sie ist ein echtes Kind ihrer Zeit… und begeistert sich für die elektromagnetische Telegraphie.
Der wichtigste Link dieser Folge: https://gotha.de/
Unsere Jahreshauptausstellung wurde bis 19. April 2026 verlängert. Es lohnt sich! Seht selbst: www.gotha-genial.de
Wer mehr über die Chart of the World wissen möchte: https://dhb.thulb.uni-jena.de/receive/ufbcbu00011875
Hier gibt es einen informativen Aufsatz von Prof. Dr. Iris Schröder, die in Gotha am Forschungszentrum der Universität Erfurt arbeitet: https://www.vr-elibrary.de/doi/10.7788/ha-2017-0304
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Intro
Herzliche Grüße, liebe Freunde aus Gotha!
]Weil Gotha ist nicht nur ein Schloss, sondern Gotha ist eine Botschaft.
Vernetzung und Verbindung. Das ist meine Mission.
Die Leute brauchen kleine Geschichten, um ihre Heimat besser zu verstehen vielleicht.
Friedensteinfunk, der Podcast der Friedenstein Stiftung Gotha. Folge 27 Der Welterbe-Werber
Heute haben wir hohen Besuch aus dem Rathaus und blicken ein wenig in die Vergangenheit und ganz viel in die Zukunft. Wir haben unsere Antennen auf Empfang gestellt und funken hinaus in die Welt.
Susanne Finne-Hörr Hallo und herzlich willkommen zu unserer neuen Folge. Heute haben wir einen ganz besonderen Gast hier im Studio. Genau genommen sitzt mir die Stadt Gotha in Person gegenüber. Es ist unser Oberbürgermeister, Knut Kreuch.
Knut Kreuch Schönen guten Tag.
Susanne Finne-Hörr Hallo, herzlich Willkommen!
Knut Kreuch Ich freue mich sehr, dass ich hier bin.
Susanne Finne-Hörr Ja, ich freue mich auch, denn in diesem Jahr hätten wir uns eine Folge ohne sie nicht vorstellen können, im Jahr des Stadtjubiläums, das ja jetzt eigentlich gerade zu Ende gegangen ist. Ich möchte sie aber gerne noch ein bisschen vorstellen. Sie formen ja nicht nur die Geschicke der Stadt, sondern sie sind auch lange schon Stiftungsratsvorsitzender der Friedenstein-Stiftung gewesen. Sie sind auch Präsident des Deutschen Trachtenvereins. Man kennt sie als denjenigen, der die fünf Gemälde aus dem Kunstraub von 1979 zurückgeholt hat. Sie sind Politiker, Sie sind Autor, Sie sind der Erfinder vom Opa von Europa. Sind Sie der Papa von Gotha oder was ist Ihnen selbst vielleicht noch wichtig?
Knut Kreuch Na ja, das sind viele schöne Worte. Aber was ist mir eigentlich wichtig? Eigentlich ist mir wichtig, dass man aus Geschichte Zukunft macht. Und das ist immer mein Thema, was mich bewegt. Und deswegen habe ich mich mit so vielen verschiedenen Themen beschäftigt. Und deswegen bin ich auch sehr tief verwurzelt in unserer Stadt, in dem, was unsere Stadt ausmacht, was unsere Stadt so besonders macht. Und ich werbe eben mit großer Pfeife dafür, dass es uns gelingt, diese Stadt immer bekannter, immer berühmter zu machen. Und ihr den gerechten Platz in der Zukunft wieder einräumen zu lassen.
Susanne Finne-Hörr Ja, doch, das gelingt sehr gut. Ich bin übrigens Susanne Finne-Hörr, ich bin der Host und sonst normalerweise Pressesprecherin der Friedenstein-Stiftung. Wir sind jetzt am Ende des Jubiläumsjahrs, das jetzt gerade zu Ende gegangen ist, wir haben jetzt ein Jahr gefeiert. Nicht nur wir, die Vereine. Wir haben beim Thüringentag gefeiert, beim Friedensteinfest jetzt zum Schluss, im Sommer, bei Regen und Nebel. Sie haben eine neue Rose züchten lassen, eine Jubiläumsrose. Sie haben Roland Kaiser mit dem Friedenstein geehrt oder auch 1159 Seiten Stadtgeschichte veröffentlicht. Wir haben eine Sonderausstellung “Gotha genial?!” gemacht. Was war für Sie der Höhepunkt?
Knut Kreuch Ja, das ist eigentlich, glaube ich, ganz schwer zu sagen. Das ganze Jahr hat deutlich gemacht, wie vielfältig unsere Stadt ist und wie die Menschen sich doch einbringen. Auch wenn manche in der heutigen Zeit immer wieder mal klagen und so weiter, ist es doch gelungen, eine sehr, sehr positive Grundstimmung in die Stadt zu holen. Und ich glaube, das war der Hauptakt, der uns gelungen ist. Und da war es ganz wichtig, dass es so jeden Tag so ein paar Kleinigkeiten gegeben hat, über die man sich freuen konnte, dass wir am Ende auch neue Firmen in Gotha begrüßen konnten, die gar keiner gemerkt hat, dass die plötzlich da waren, große Weltmarktführer sogar. Auch das hat mit dazu beigetragen, dieses Lebensgefühl der Stadt Gotha neu zu interpretieren und vielleicht auch zu sagen, es sind 1250 tolle Momente, sich für Gotha zu engagieren.
Susanne Finne-Hörr Ja, sie haben ein Faible für Zahlen, oder? Zum Beispiel sie haben ja den Jubiläumszug, der fing ja Punkt 12.50 Uhr an. Oder auf ihrer Webseite, da stand auch die genaue Uhrzeit, wann sie geboren sind, 17.35 Uhr oder so. Und warum so genau?
Knut Kreuch Die Uhrzeit habe ich erst gefunden, als ich 50 geworden bin. Da habe ich nämlich die Leute 17.36 eingeladen. Und da haben die sich alle gewundert. Und ja, ich spiele gerne mit solchen Sachen, weil das sich prägnant im Kopf einprägt: Um 12 Uhr 50 zu beginnen, 125 Minuten einen Festakt zu machen. Jetzt habe ich 50 Leute gebeten, je 12 Sätze über Gotha zu schreiben. Fällt allen ganz schwer, weil es so viel zu sagen gibt. Manche schreiben 120 Sätze und so weiter. Also das ist denke ich auch so ein Faible von mir, damit zu spielen, aber eben auch diese trockene Geschichtszahl des Unterrichts lebendig werden zu lassen. Man muss heute Storytelling, wie man heute so schön sagt, also kleine Geschichten schreiben und die Leute brauchen kleine Geschichtens, um ihre Heimat besser zu verstehen vielleicht.
Susanne Finne-Hörr Und haben Sie jetzt einen Jubiläumskater?
Knut Kreuch Nee, hab ich eigentlich nicht. Ich bin ja schon im nächsten Jubiläum, in fünf Jahren, ist ja schon wieder 850 Jahre Stadtrecht in Gotha. Da hat mir der Stadthistoriker Krünes schon wieder gesagt, ah, ob das so stimmt, sag ich, hör zu, das stimmt so. Man muss den Leuten Geschichten erzählen und nicht hier und da hier eine Fußnote machen. Wir sind keine Fußnote der Geschichte, sondern wir sind der Haupttitel der Geschichte.
Susanne Finne-Hörr Das haben auch andere erkannt.
Ann Tippitt Greetings from Ann Tippitt, Director of the Schiele Museum in Gastonia, North Carolina.
Alan May Und Alan May, Curator of Archaeology, Schiele Museum, Gastonia, North Carolina.
Knut Kreuch Mensch, das ist eine tolle Überraschung. Unsere Freunde in North Carolina, tolle Kolleginnen und Kollegen mit einer tollen naturgeschichtlichen Sammlung, wo wir natürlich aus Gotha auch einiges beitragen können, wo sie uns wunderbar gänzen, um zum Beispiel zu zeigen, dass es mal Kontinente gab, die zusammengehörten, wo nichts Trennendes war. Und gerade das ist vielleicht auch in heutiger Zeit wichtig, ein bisschen mehr Gondwana zu sein, also mehr Urkontinent und zusammen zu sein.
Oliver Brod Ja, die Nachricht aus Amerika funkt noch weiter.
Alan May … and acknowloging the 1250th anniversary of our sister’s city Gotha, Germany and the Oberbürgermeister Knut Kreuch.
Knut Kreuch Hallo, hallo, haallo!
Ann Tippitt Congratulations on this wonderful event, our best to you and everyone.
Knut Kreuch Thank you very much, my friends in Gastonia.
Alan May Thanks and we’re looking forward to seeing you in the near future.
Knut Kreuch The Next Gothardus Fest
Susanne Finne-Hörr Sie waren auch gerade da, auf dem Thüringentag.
Knut Kreuch Sie waren da und Anne ist eine ganz engagierte Museumsdirektorin, die es eben auch geschafft hat, ihr Museum von einem ganz trockenen, verstaubten Ort zu einem modernen Treffpunkt in der Stadt zu machen. Gastonia ist eine Stadt, die natürlich nur 200 Jahre Stadtgeschichte hat. Und gerade da ist es wichtig, die Bausteine der Stadtgeschichten wie ein Puzzle zusammenzusetzen und die Natur dafür zu nutzen. Und das machen die ganz hervorragend und auch tolle Tierpräsentation.
Susanne Finne-Hörr Haben die mal einen Bären…
Oliver Brod Oh, oh, oh! Da kommt noch eine neue Botschaft. Wir haben noch eine. Securité, securité, securité.
Eric Vuillemin Bonjour, chers amis de Gotha.
Knut Kreuch Merci beaucoup. Wundervoll.
Oliver Brod Sprechen Sie Französisch, Herr Kreuch?
Knut Kreuch Nein, nein, nein. Nur wenige Worte, aber ...
Oliver Brod Äh, Claudia, kannst du das mal kurz übersetzen.
Claudia Klein / Eric Vuillemin Ich hoffe, es geht euch gut. Romilly-sur-Seine wünscht euch einen großartigen Ehrentag. Nur mit der Geschichte im Hinterkopf können wir gemeinsam die Zukunft gestalten. Bis bald, lasst es euch gut gehen und auf Wiedersehen, liebe Freunde aus Gotha.
Knut Kreuch Romilly liegt mir sehr am Herzen, es ist die älteste Partnerstadt, die Gotha hat. Und ich glaube sogar eine der ältesten deutsch-französischen Partnerschaften im Osten sowieso. Seit 1960 sind wir mit den Freunden verbunden und die kommen immer wieder gerne zu uns. Und sie gehören eigentlich schon zu unserer Stadt dazu. Nicht nur, weil wir eine Romilly-Straße haben, sondern weil wir auch die Champagne, die Region, so im Herzen tragen.
Oliver Brod Oh, ich krieg hier gerade noch was rein. Das ist, oh, das ist ja ganz weit weg. Das sind, die Koordinaten sind 14 Grad nördlicher Breite, 38 Grad östlicher Länge. Das ist das ist irgendwo in Afrika, glaube ich. Das ist ja genau. Das ist.
Susanne Finne-Hörr Äthiopien?
Oliver Brod Äthiopien! Das ist in Äthiopien, das kommt gerade rein.
Mitslal Kifleyesus-Matschie Salam, Salam. Ich sage Ihnen Salam für die Äthiopien. Ich sage ihnen Salam und wünsche ihnen viel Gesundheit.
Knut Kreuch Unglaublich, unglaublich. Wir sind die dritte Stadt Deutschlands, die eine Partnerschaft nach Äthiopien hat. Und wir sind ganz stolz darauf, dass wir das geschafft haben. Und im Herzen bin ich sehr, sehr traurig, weil ich war schon zweimal in Äthiopien und ich habe ein Land erlebt, was ganz arm ist. Aber nirgendwo haben die Kinder so große und so dankbare Augen wie in Äthiopien und freuen sich die Menschen über so kleine Dinge des Lebens. Und diese Freude in Äthiopien hat mir persönlich unwahrscheinlich viel Spaß gemacht, hat mich sehr bewegt. Auch vielleicht ein bisschen mein Handeln mit überdacht. Wie gehen wir mit Nachhaltigkeit um? Und heute bin ich so traurig, dass diese Stadt, Adua, was unsere Partnerstadt ist, völlig dem Erdboden gleichgemacht worden ist, in einem Bruderkrieg der Eritreer gegen die Äthiopier, Tigray gegen Eritrea, Tigray against Ethiopia. Es ist ein ganz, ganz trauriges Kapitel. Wir waren so hoffnungsfroh, aber wir geben die Hoffnung trotzdem nicht auf.
Oliver Brod Da kommt, da kommt noch was. Moment ich check mal gerade, das ist, das ist erstaunlich, das ist gar nicht so weit weg von hier, das ist
Agata Wojda Drodzy przyjaciele Zygoty. 1250 lat historii brzmi dumnie i zasłużenie. Z całego serca gratulujemy Wam tak pięknego jubileuszu. Kielce ślą uściski i najlepsze życzenia prosto z serca Gór Świętokrzyskich. Każde spotkanie z Wami utwierdza nas w przekonaniu, że przyjaźń między naszymi miastami to coś więcej niż oficjalna współpraca. To prawdziwe partnerstwo ludzi z pasją. Drogi Burmistrzu, Twoja serdeczność, otwartość i energia budują mosty, które przetrwają kolejne jubileusze. Z najlepszymi życzeniami z okazji Waszego święta. Kielczanki i Kielczanie i Agata Wojda Prezydent miasta Kielce. Herzliche Grüße, liebe Freunde aus Gotha.
Oliver Brod Oh, das ist polnisch. Ich lasse da schnell mal die KI drüber laufen.
KI Liebe Freunde aus Gotha. 1250 Jahre Geschichte, das klingt stolz und verdient. Wir gratulieren Ihnen von ganzem Herzen zu diesem schönen Jubiläum. Kielce sendet Ihnen Umarmungen und die besten Wünsche direkt aus dem Heiligkreuzgebirge. Jedes Treffen mit Ihnen bestärkt uns in unserer Überzeugung, dass die Freundschaft zwischen unseren Städten mehr ist als eine offizielle Zusammenarbeit. Es ist eine echte Partnerschaft von Menschen mit Leidenschaft. Sehr geehrter Herr Bürgermeister, Ihre Herzlichkeit, Offenheit und Energie bauen Brücken, die weitere Jubiläen überdauern werden. Mit den besten Wünschen zu Ihrem Fest. Die Einwohnerinnen und Einwohner von Kielce und Agatha Wojda, Bürgemeisterin der Stadt Kielce.
Knut Kreuch Dziękuję, liebe Freunde in Kielce. Kielce ist natürlich eine Partnerstadt, die mir ganz besonders am Herzen liegt, weil 1994 gab es einen jungen Mann mit lockigem Haar, der vom damaligen Oberbürgermeister den Auftrag bekam, eine Städtepartnerschaft nach Polen zu machen. Und dieser junge Mann hat das dann auch geschafft. Denn zwei Tage später kam der damalige Stadtpräsident von Kielce nach Gotha und es entstand dann eine so wunderbare Freundschaft, die nun mittlerweile fast 30 Jahre besteht und genauso ja auch nach Martin in die Slowakei.
Susanne Finne-Hörr Hatten sie mal Locken?
Knut Kreuch Ja, ganz jung, in jungen Jahren, volles lockiges Haar. Meine Frau bedauert das immer noch so und sagt immer, ich weiß jetzt nicht so genau, ob ich dich so genommen hätte.
Oliver Brod Und jetzt fehlt eigentlich nur noch einer in der großen Gotha-Fangemeinde, Ich suche mal weiter. Ja, ich glaube, ich krieg da ...
54,9 Grad nördlicher Breite.
Oliver Brod Ja, ja, ja. Ach, das ist ja... Ja, warte mal, das is' ja... Ganz nah von hier aus, nordwestlich
Frank Klingebiel Lieber Knut, liebe Einwohnerinnen und Einwohner von Gotha, wir gratulieren euch ganz herzlich zu eurem ganz besonderen Geburtstag. 1250 Jahre Gotha. Da kann man schon stolz drauf sein. Und wer sind wir? Das ist der Oberbürgermeister aus eurer Partnerstadt Salzgitter, Frank Klingebiel, mit der gesamten Einwohnerschaft. Ich erinnere mich immer sehr gern an den Thüringentag in diesem Jahr, wo wir den Geburtstag gemeinsam feiern konnten. Weiterhin Viel Spaß und alles Gute.
Knut Kreuch Lieber Frank, herzlichen Dank. Ihr seid das Salz und wir sind der Pfeffer auf unsere gemeinsame Partnerschaft. Ich glaube, das passt sehr gut. 1988 hat unsere Partnerschaft begonnen. Wir kannten uns damals überhaupt nicht. Und gerade mit der Wende, die vor 35 Jahren ja war, habt ihr so großartige Beiträge geleistet für unsere Ankunft im geeinten Deutschland. Das haben wir euch nie vergessen. Und ich glaube, wir haben uns auch viel gemeinsam gegeben durch gemeinsame Sportwettkämpfe, durch gemeinsames Treffen. Durch gemeinsame Begegnungen und Austausche. Das fruchtet auch nach so vielen Jahren noch. Und jetzt blicken wir bald auf vier gemeinsame Jahrzehnte. Da kommt noch was!
Susanne Finne-Hörr Ja, sie feilen auch gerade schon an der nächsten Städtepartnerschaft: in Bulgarien, Nessebar. Und wenn sie jetzt noch Überzeugungsarbeit leisten müssten, dann wäre der Friedenstein auch immer ein guter Ort, um die Leute hinzuführen und um sie von der Schönheit Gothas und dem Friedenstein zu überzeugen.
Knut Kreuch Ja, Nessebar ist auf uns zugekommen und hat uns gefragt durch eine Freundschaft zur damaligen Botschafterin, Elena Radkova Shekerletova, könnt ihr euch vorstellen, ihr Gotha mit Nessebar eine Städtepartnerschaft zu machen? Da haben wir gesagt, um Himmels Willen. Das ist ja das Boomtown an der Schwarzmeerküste. Wie sollen die nach Gotha in den Leina-Kanal kommen? Aber sehr schnell war mir klar, Weltkulturerbe Stadt. Und dachte ich mir: Das ist eigentlich genau der richtige Partner für uns. Und in den ersten Gesprächen, die wir geführt haben, haben wir das auch sehr, sehr deutlich gespürt, dass wir uns nicht nur menschlich sehr nahe sind, dass wir Schüleraustausche wollen, sondern dass Nessebar uns auch helfen will auf diesem Weg. Nessebar ist schon in den 80er Jahren als eine der ersten Städte Weltkulturerbe geworden. Und ich bin eigentlich überzeugt, wenn Gotha im geeigneten Deutschland gewesen wären, wären wir vor 1990 auch schon auf diese Liste gekommen. Lange vor Neuschwanstein oder vor Schwerin. Ich muss einfach sagen... Ein Weltkulturerbestatus für Gotha anzustreben, muss das Ziel jeglicher Politik sein, weil Gotha ist nicht nur ein Schloss, sondern Gotha ist eine Botschaft. Gotha ist eine Botschaft, die sich manifestiert in einem Schlossbau, der den Idealen Staat verkörpert, den Idealstaat des 17. Jahrhunderts, der noch heute gültig ist. Der Staat muss ein Dach bieten für seine Institutionen, seine Menschen. Und das bietet der Friedenstein. Der Friedenstein bietet wie ein Staat ein Dach für Verwaltung, für Wohnen, für Arbeit, für Verteidigung, für Bildung. Für Kunst und Kultur und auch fürs Theater. Das ist der ideale Staat. Und das ist an keinem anderen Platz in der Welt noch so ideal wie in Gotha. Und diese Botschaft... Die muss gespielt werden. Das ist eigentlich das Typische. Das ist nicht nur der Friedenskuss, wo wir uns alle knutschen am Portal und sagen: Friede ernähret, Unfriede verzehrt. Sondern es ist eben auch dieses Schloss mit einem spitzen Turm und einem runden Turm. Und immer wenn Staatsgäste kommen, dann sage ich zu denen, gucken sie sich doch mal diese Türme an. Wenn wir da im Herzoglichen Museum stehen, sage ich: das ist doch faszinierend. Wo gibt es das? Einen so wuchtigen großen Bau mit zwei unterschiedlichen Türmen? Und das ist das Symbol der deutschen Einheit. Da gucken die mich immer an wie die Buslenker. Denken die immer, die Wartburg ist das oder das Brandenburger Tor. Das ist das Symbol der Deutschen Einheit. Guckt euch das an. Auf der einen Seite Deutschlands lief alles rund. Auf der anderen Seite spitzte sich die Lage immer mehr zu. Aber es ist nicht zerbrochen, weil ein starkes Fundament, was wir heute Demokratie nennen, uns zusammengehalten hat. Der Friedenstein ist was ganz Besonderes und diese Botschaft soll in die Welt hinaus, das ist der Auftrag aller jetzt Geborenen.
Susanne Finne-Hörr Dabei ist eigentlich nur der Ostturm abgebrannt. Sie haben schon viele Menschen nach Gotha gebracht. Bundespräsidenten, auch viel royales Blut, Sylvia, Monaco, Albert von Monaco. Was bekommen Sie von denen für Rückmeldungen? Sind die immer nett oder sagen Sie auch mal was Negatives?
Knut Kreuch Also es ist, man muss immer versuchen, irgendwie an die Leute ranzukommen. Viele wissen ja, dass ich immer gerne Queen Elisabeth auch mal nach Gotha geholt hätte. Das ist schade, dass sie das in ihrem Leben nicht gesehen hat. Sie wird jetzt von oben gucken und wird erst sehen, wie schön Gotha ist. Ich habe viele da gehabt und habe bei allen eigentlich gespürt, wenn sie da waren in Gotha, haben die auf einmal gesagt: “Wow, ist das eine tolle Stadt. Warum haben wir das nicht gewusst?” Das ist Albert von Monaco so gegangen. Das ist aber auch Schauspielern so gegangen. Ich habe einen Schauspieler getroffen, die haben gerade die Serie Dr. Kleist gedreht und da haben die in so eine Stippvisite gemacht, nach Gotha. Und da treffe ich den Ulrich Pleitgen oben am Schloss. Da kommt er auf mich zu und sagt, du bist doch hier der Oberbürgermeister. Hast du eine geile Stadt. Da bin ich bald umgefallen. Und da hat meine Frau, die daneben stand, den Kopf geschüttelt und hat gesagt, also das ist ja Wahnsinn. Es gibt unwahrscheinlich viele positive Resonanzen, egal von wem. Immer wieder versuche ich, viele Menschen zu begeistern, ihnen zu erklären, dass die Wege zu uns ganz kurz sind. Viele denken ja immer, die Wegen zu uns sind sehr weit. Wir sind mit dem ICE zweieinhalb Stunden von Berlin entfernt oder von Frankfurt, von München ebenfalls drei Stunden oder auch von Köln. Also so mittendrin in Deutschland. Und der Weg ist nicht zu weit. Und wer den Weg einmal gegangen ist, so jetzt vor kurzem der tolle, aufstrebende Schauspieler Jannik Schümann, ja. Das geht bald hin bis zu Liebe. Die verlieben sich in diese Stadt und sagen, das ist ja geil. Hier ist das Gothaer Liebespaar, hier musst du dich verlieben. Nicht in mich, sondern in irgendwas in dieser Stadt.
Susanne Finne-Hörr Sie wohnen dann aber doch woanders, in Berlin...
Knut Kreuch Sie können ja mal wieder fortfahren, die müssen ja wissen, wie schön es bei uns ist. Und die müssen dann nicht alle bei uns wohnen, es wird ja sonst zu eng. Deswegen, das muss nicht sein. Aber ich finde es toll, und die sprechen natürlich dann auch davon und erzählen, dass sie in unserer Stadt gewesen sind und unterhalten sich dann darüber. Und dann fallen da so Worte, “ja da haben sie einen Oberbürgermeister, der dreht dauernd neue Dinge”, “jam den habe ich auch gekannt, der hat mit mir das und das gemacht”. Und das ist ihm doch wichtig. Wenn man eine Stadt gerade auch interessant machen will, ist es immer wieder wichtig sie neu zu erfinden.
Susanne Finne-Hörr Was erfinden Sie nächstes Jahr?
Knut Kreuch Da überlege ich noch und das verrate ich noch nicht. Aber es ist eben so, um erfolgreich zu sein, auch mit Veranstaltungen, sage ich immer wieder beim Gotthardusfest, unserem großen Stadtfest Anfang Mai, das hat seine Tradition, aber wird auch immer wieder neu erfunden. Und auf unserem Friedenstein haben wir eben zum Beispiel das Problem, dass wir in unserem Barockfest, eine kleine Kritik, eben immer wieder in der Vergangenheit leben und diese Neuerfindung noch nicht geschafft haben und das ist ein Problem.
Susanne Finne-Hörr Und wo sind jetzt Ihre Problemzonen? Also ich meine jetzt in der Stadt, wie gehen Sie die an?
Knut Kreuch Auch eine Stadt hat Problemzonen. Problemzonen sind zum Beispiel, wichtig ist, wie kommt man in eine Stadt hinein? Macht das ein freundliches Bild? Ist diese Stadt grün? Hat diese Stadt da lauter verfallene Häuser oder ist das hier eine Stadt mit Leuten? Zweites Bild ist, wie viele Menschen bewegen sich in der Stadt? Sieht man junge Menschen oder sind die alle auf der Arbeit oder zum Studium weg? Zweitens, was geschieht mit Innenstädten? Wo wir eben auch eine Stadt sind, die seit 100 Jahren einen Kaufhaus hat, was jetzt leergefallen ist. Das ist bildend natürlich ein Problem. Und da könnte ich jetzt sagen, da gucke ich weg. Nee, da schaue ich eben nicht weg, sondern mir ist es wichtig. Was kommt da rein? Weil es wichtig ist, dass Menschen nicht vorbeigehen an leeren Hüllen. Man muss sich begegnen, man muss sich treffen, man muß miteinander reden können. Und das ist wichtig in so einer Stadt wie Gotha, der größten Kreisstadt. Thüringens, man könnte auch sagen der fünf größten Stadt Thüringens, oder größte Kreisstadt hört sich einfach besser an, muss man sagen. Und das ist da wichtig und wie identifizieren sich die Menschen auch mit ihrer Stadt?
Susanne Finne-Hörr Und merken Sie, wie sich so die Herausforderungen geändert haben oder: wie haben sie sich geändert?
Knut Kreuch Die Herausforderungen haben sich geändert. Als ich vor 20 Jahren in die Stadt kam, waren die Menschen noch viel aufgeschlossener als heute. Heute ist es zum Teil so, dass durch diese Pandemiewelle, die wir gehabt haben, durch die Veränderung der sozialen Kontakte zum Teil unsere Gesellschaft kälter wird. Diese Kälte, die spürt man, diese Kälte macht auch einen Atem, der einen manchmal stocken lässt. Und da ist es eben gerade wichtig, auch da dagegenzuhalten und sich nicht einfach zurückzuziehen, sondern da muss man auch immer wieder Farbe bekennen, Gesicht bekennen und Sprache zeigen. Und auch alle Formen nutzen, die das tun, ob das in Social Media ist oder eben auch in solchen Podcasts, die sehr viele intelligente Leute hören.
Susanne Finne-Hörr Ja, gut, dann wollen wir das Niveau mal ein bisschen wieder anheben. Wir haben ja das Jubiläumsjahr, das hinter uns liegt und es gibt ja auch sehr viele Exportschlager aus Gotha. Welches ist Ihr liebster Exportschlag?
Knut Kreuch Also es gibt zwei große Exportschlager aus Gotha, die eigentlich international, wirtschaftlich gesehen, noch heute erfolgreich sind. Das ist einmal natürlich die Versicherung, die aus Gotha kommt, Lebensversicherung und die große Autoversicherung. Also die Kfz-Versicherung ist ja auch in Gotha erfunden worden. Wer kann heute ohne Lebensversicherungen, ohne Kfz-Versicherung leben? Keiner. Es ist aber auch die Thüga zum Beispiel, der größte Stadtwerke-Konzern in Deutschland, auch der ist in Gotha gegründet worden. Was wären wir Menschen ohne Stadtwerke? Aber wir Deutschen tun uns ein bisschen schwer zu sagen, was sind die wirklichen Exportschlager. Die wirklichen Exportschlager der Deutschen haben etwas zu tun, was tief mit Gotha verbunden ist. Und das ist für mich das Wichtigste. Das ist Bildung. Bildung sind die Exportschlager der Deutschen. Das ist die duale Berufsausbildung, also eine Ausbildung mit Praxis und Theorie. 1817 von Arnoldi in Gotha erfunden und zum weltweiten Erfolg gemacht. Wir werden dafür beneidet in aller Welt. Und die zweite ist natürlich der Kindergarten. Der Kindergarten, ein Thüringer Produkt. Und der fünfte Kindergarten überhaupt auf der Welt war ja in Gotha. Und da kam Friedrich Fröbel hin und hat gesagt: “Christiane, mit deinem Kindergarten, da ist mein Kindergarten jetzt echt ein Kindergarten geworden. Vorher, das waren alles nur Probeexemplare”. Und seit Gotha 1845 ist das ein Erfolg. Kindergarten und Berufsausbildung, das sind die großen Erfolge. Und wenn ich nach Japan komme, heißt es Kindergarten, in China, heißt das Kindergarten, in Tansania, in Vietnam. Die sagen, auch Amerika hat das Wort Kindergarten, die sagen nicht, ich geh in den Children’s Garden oder irgendwas. Nein, sie gehen in den Kindergarten. Und sie haben dieses deutsche Wort einfach für ihre Sprache genutzt. Und das ist auch was Schönes, das ist nicht jedem Wort vergönnt.
Susanne Finne-Hörr Da bin ich jetzt sehr froh, dass Sie nicht das genannt haben, was jetzt als nächstes kommt...
Chart of the World:
Fünf Kontinente, drei Weltmeere, das Nordpolarmeer und der Südliche Ozean. Kurzum, die große, weite Welt! So hört sie sich an… und so sieht sie auch aus.
Ein Blick auf mich, die Chart of the World genügt, um die vielfältigen Verbindungen und Verkehrswege zu erkennen, die unsere schöne Welt zusammenhalten: Schiffsrouten, Telegraphenkabel, sogar Karawanenpfade und (nicht zu vergessen!) die ehrgeizigen Großprojekte unserer Tage: die in Planung befindlichen Schifffahrtskanäle in Ägypten und Mittelamerika. Ich… nun ja… ich nehme sie vorweg, informiere über den Baufortschritt und gebe so einen Ausblick auf die Zukunft in unserer hoffnungsvollen Gegenwart.
Auf 145 mal 88 Zentimeter, auf Leinen gezogen, mit Ösen versehen und Stäben verstärkt – so hänge ich seit 1863 in zahlreichen Büros und Kontoren von Händlern und Kaufleuten, in brasilianischen, ägyptischen, türkischen, chinesischen und japanischen Reedereien und Agenturen, kurzum an allen Orten, an denen man die gesamte Welt im Blick haben muss. Eine „Allrounder-Karte“ und einen „überdimensionierten Weltfahrplan“ haben kluge Geister mich genannt.
Und tatsächlich: Vernetzung und Verbindung – das ist meine Mission. Und damit mich auch alle Menschen all around the world nutzen und verstehen können, bin ich entirely auf Englisch. Dabei… ja, dabei bin ich doch eigentlich eine echte Gothaerin! Konzipiert, erdacht und gezeichnet in Justus‘ Perthes Geographischer Anstalt. Von einem gewissen Herrmann Berghaus, einem begnadeten Kartographen.
Berghaus entschied sich, die gesamte Welt in der Mercatorprojektion auf meine flache Oberfläche zu bringen – eine weise Entscheidung, denn dies ist die am meisten verbreitete Art der Darstellung, userfriendly sozusagen. Die Mercatorprojektion hat nur einen entscheidenden Nachteil: Je weiter man nördlich oder südlich kommt, desto größer erscheinen die dortigen Landflächen. Grönland oder das ewige Eis des Nordpols würden unverhältnismäßig groß abgebildet werden. Doch davon ließ Herrmann Berghaus sich nicht beirren! Er nutzte die weißen Eisflächen, um eine ganze Reihe an Nebenkarten unterzubringen, also Ausschnitte besonders wichtiger Orte: Häfen, Landengen, Küstenlinien.
Er tat gut daran, denn die hohe Kunst der Kartographie, die besteht doch genau darin: in der konzisen Auswahl der dargereichten Daten, in der Trennung des Wichtigen vom Unwichtigen, in dem ausgewogenen Verhältnis von Übersicht und Detailansicht. In meinem Fall ging es darum, den handelnden Nationen ein schnell zu erfassendes Gesamtbild über die Kontinente und Verkehrswege zu geben – Meerestiefen, Strömungen und Treibeisgrenzen mit eingeschlossen.
Nun… ich muss zugeben: Die Handelsplätze und Verkehrswege, die die Europäer und Amerikaner nicht betrafen oder nicht interessierten – die waren quantité négligeable, sie haben auf mir keinen Widerhall gefunden.
Mir, der Chart of the World deswegen aber ein eingeengtes Weltbild vorzuwerfen, ich bitte Sie!, das führt doch wirklich ein bisschen zu weit! Schließlich zeige ich the whole world. Und um unseren guten Willen zu beweisen, hat mich Herrmann Berghaus ab meiner sechsten Auflage dezentriert. Nach rechts verschoben. Meine Mitte war nun nicht mehr der Nullmeridian in Greenwich, sondern – well – der Atlantik und die Küste Brasiliens. Hatten die Landkarten vor mir die Meere meist nur als unüberwindliche Grenzen gezeigt, so legten good old Herrmann Berghaus und ich das Augenmerk nun auf die zusammenführenden Eigenschaften der Meere.
Transatlantische Verbindungen ins Zentrum zu rücken, das war das Gebot der Stunde. Die alten Segelschifffahrtsrouten, die Postdampferlinien und natürlich das neue Unterseekabel. Nur drei Jahre nach meinem ersten Erscheinen war das erste transatlantische Telegrafenkabel auf Sendung gegangen. Ein großer Moment für die Menschheit, indeed. Und den Verlauf dieses Kabels durfte ich festhalten. Ein großer Moment auch für mich – the Chart of the World.
Denn eines ist sicher: Die Zukunft gehört der elektromagnetischen Telegraphie, die die Menschen all around the world in Sekundenschnelle verbinden und zu einer friedlichen Weltgemeinschaft zusammenschließen wird. Das ist meine tiefe Überzeugung.
Susanne Finne-Hörr Ja, wir hatten es jetzt mit einer sehr enthusiastischen Karte zu tun. Sie haben gerade etwas kritisch geblickt. Möchten Sie diesen Blick nochmal erklären?
Knut Kreuch Ich habe diese Karte mir gewünscht, als ich vor vielen Jahren mal Oberbürgermeister geworden bin von Gotha, dass ich als Erinnerung an diese große Kartografie-Tradition eine Karte bekomme und hat die Forschungsbibliothek Gotha, die Ernestina, diese Karte für mich ausgesucht und erst später habe ich einen tieferen Sinn begriffen. Und ich habe diesen tieferer Sinn begriffen, als zum ersten Mal eine Präsidentschaft anstand vom US-Präsidenten Donald Trump, der immer wieder davon sprach “America first”. Und das habe ich auf dieser Chart of the World gesehen. Amerika steht in der Mitte der Karte, nicht Europa, wie wir die Karten kennen, die aus den traditionellen Verlagen kommen, wo mit Greenwich die Mitte ist, sondern man musste die Mitte so verschieben, dass Amerika in die Mitte kommt und wir kennen nur Karten, wo Australien ist bei uns immer rechts unten. Jetzt ist Australien plötzlich links unten. Und Russland in seiner Größe ist zudem auch gebrochen, in zwei Seiten rechts und links. Und wirkt plötzlich nicht mehr so überdimensional groß. Damit kommt natürlich die Bedeutung Amerikas vor. Und da ist mir klar geworden, dass schon im 19. Jahrhundert bei den Amerikanern diese Maxime da ist und dass das keine Neugeburt ist des heutigen und damaligen Präsidenten. Und das sage ich auch immer meinen Besuchern, wenn sie auf die Karte gucken, sage ich, ich denke da dran, woher diese Haltung kommt.
Susanne Finne-Hörr Also es ist ja letztlich auch so ein bisschen vielleicht eine Verortung von Heimat. Wie wichtig ist Heimat, warum braucht man so was wie Heimat?
Knut Kreuch Wer keine Heimat hat, der weiß nicht, warum er lebt. Das sage ich immer wieder. Menschen ohne Heimat können nicht leben, können sich nicht in eine aktive, in eine moderne, in eine zukunftsfähige Gesellschaft einbringen. Menschen, die permanent auf der Suche sind nach Heimat und Halt, werden nie zum Ziel kommen. Und aus dem Grunde bin ich zum Beispiel auch... wie Sie sagten im Deutschen Trachtenverband, wo wir Trachten tragen, ich sag immer, das ist Heimat auf der Haut. Das ist eben auch erkennbar. Wir sind erkennbar, wir zeigen an, woher wir kommen, wohin wir gehen. Das ist was ganz Modernes, was Zukunftsfähiges und deswegen ist Heimat nicht immer der Ort, wo man geboren ist, für viele, aber es ist eigentlich der Ort, wo man leben will, wo man sich wohlfühlt und nicht zu vergessen, wo man sich einbringt. Heimat ist kein Liegestuhl, wo man da sitzt und wartet, dass einem was gebracht wird. Sondern Heimat heißt Engagement mit anderen, am besten gemeinsam. Man kann auch alleine, aber am besten mit anderen. Das ist Heimat.
Susanne Finne-Hörr Ich muss ja gestehen, ich verbinde Sie immer mit dem Subotnik. Ich kannte das vorher nicht und dann kam der Aufruf so, kehrt jetzt mal bitte vor eurer Haustüre.
Knut Kreuch Genau, das ist das russische Wort von Subotna von dem Samstag abgeleitet und da haben mich auch viele, die aus den alten Bundesländern kommen, immer dafür angegriffen, aber die Ossis wissen das ganz genau, was das für ein Wort ist und die Gothaer, die alten Gothaer natürlich auch, die verbinden damit auch nichts Negatives, sie verbinden damit nichts Politisches, sondern sie verbinden damit Gemeinschaftsaktion und das tun sie immer gerne. Und Arbeitseinsatz, kommen wir mal zum Arbeitseinsatz, wie hört sich das an? Komm zum Subotnik, sei mit dabei, das is doch knackig. Schön und da sind sie eher dabei und deswegen ist es auch gut so, das zu sagen.
Susanne Finne-Hörr Und sie haben auch öfter schon gesagt, dass es wichtig ist, seine Geschichte zu kennen. Was hilft es, wenn man seine Geschichte kennt?
Knut Kreuch Jede Familie hat ihre Geschichte. Jede Stadt hat ihre Geschichte. Jeder Ort hat seine Geschichte. Und sich mit eigener Geschichte, mit meiner Geschichte der Familie zu beschäftigen, schafft erst mal Beziehungen zwischen den Generationen. Denn man muss ja die Großeltern fragen, wie war das damals? Man darf nicht warten, bis man den Satz sagen kann “ach Oma hätte das noch gewusst” dann ist es zu spät. Und dieses Beschäftigen mit den Familien, da staune ich immer wieder darüber, was zum Teil auch da für Entdeckungen hervortreten. Und für junge Menschen in einer Gemeinschaft ist es eben wichtig, auch die Gemeinsschaft zu kennen. Das heißt dann eben die Orts-, die Stadtgeschichte. Man muss das nicht in- und auswendig kennen. Man muss auch nicht jede Fußnote kennen. Aber man sollte wissen, wie alt ist mein Ort, was macht ihn so bedeutsam? Gibt es besondere Menschen, die hier gelebt haben? Und gibt es vielleicht auch Vereine, Verbände, die das pflegen? Ich glaube, das ist wichtig auch, welche Häuser, welche Denkmale habe ich, die mich mit der Vergangenheit verbinden. Auch das ist wichtig. Und aus dem Grunde kommen Heimat und Zukunftspflege zusammen. Alles ist bei mir alles ziemlich nah beieinander.
Susanne Finne-Hörr Ja, nächstes Jahr geht's ja eigentlich auch schon wieder um Familie letztlich. Da haben wir ja das große Dynastie-Jubiläum. Sachsen-Coburg und Gotha, das Doppelherzogtum ist entstanden.
Knut Kreuch Mich ärgert immer die Tatsache, dass sehr oft von Sachsen-Coburg gesprochen wird. Und deswegen habe ich jetzt ja auch so ein Buch gemacht, das Fürstenhaus Sachsen-Gotha. Warum wird über Sachsen-Coburg gesprochen? Das ist ganz einfach, weil durch 40 Jahre Teilung der Name Gotha in Fernsehbeiträgen des Westens nicht erwähnt wurde. Und im Osten wurde ja sowieso nicht darüber gesprochen. Aber Rolf Seelmann-Eggebert, der bekannte Adelsexperte, der leider dieses Jahr verstorben ist, der hat immer gesprochen, das Haus Sachsen-Coburg. Und dann hat er “und Gotha” gleich verschluckt. Und das ist nicht richtig. Der Name Sachsen-Coburg und Gothar ist ein Familienname. Und das waren sozusagen zwei Staaten, die einen Herzog hatten.
Susanne Finne-Hörr Vielleicht noch Fußnote für die, die es nicht wissen, die Windsors sind, nämlich eigentlich auch Sachsen-Coburg und Gothaer.
Knut Kreuch Nicht eigentlich, da sind sie. Queen Victorias Mutter war eine Prinzessin aus dem Hause Sachsen-Coburg-Saalfeld, einer Nebenlinie des Hauses Sachsen-Gota. Und der Ehemann von Queen Victoria, Prinz Albert, war ein Prinz von Sachsen Coburg-Saalfeld ebenfalls. Und aus diesem Grund ist das eine ganz enge Verwandtschaft. Sind alles Nachkommen von Ernst, dem Frommen aus Gotha. Und die haben dann diese Großdynastie gegründet. Und heute sitzen die noch in allen Herrscherhäuser in Europa.
Susanne Finne-Hörr Aber eigentlich ist das gar nicht das wichtigste Jubiläum nächstes Jahr, denn sie haben doch auch ein Jubiläum nächstes Jahr: 20 Jahre Oberbürgermeister von Gotha.
Knut Kreuch Kein Grund zu feiern.
Susanne Finne-Hörr Nein, kein Grund zum Feiern. Okay.
Knut Kreuch Ja, das macht einen nur so alt. Ich sag immer, 20 Jahre, so alt… sieht man mir doch gar nicht an.
Susanne Finne-Hörr Sie haben halt nur keine Locken mehr.
Knut Kreuch Nein, es gibt sicherlich nächstes Jahr noch viele schöne andere Jubiläen. Ich denke da auch an den ersten Kapellmeister im Gotha Hof. Der Priegel hat auch Geburtstag, einen runden Vierhundertsten. Und ich denke mal, es gibt da noch ein paar 200-Jährige, paar schöne Jubiläen, die es zu gedenken geht. Und das ist ja auch immer so eine Gothaer Tradition, an diese Jubiläen zu erinnern. Und wir sind ja nun wirklich reich da dran. Es gibt manche Städte, die haben nur Goethe und Schiller. Andere sind die Geburtsorte Johann Sebastian Bachs. Aber in Gotha haben sie sich alle getroffen, das ist dieser Wahnsinn. Und wir sind eigentlich das Mekka, kann man sagen, das Mekka der Historie und Geschichte. Alle wollten nur noch Gotha.
Susanne Finne-Hörr Und noch eins: Ihr Lieblingsobjekt.
Knut Kreuch Mein Lieblingsobjekt in der Stadt ist die Wasserkunst.
Susanne Finne-Hörr Nein, im Friedenstein.
Knut Kreuch Das Lieblingsobjekt im Friedenstein… na, da muss ich jetzt einfach sagen, die Salomé. Ich hab noch nie, also eine zersägte Frau hab ich eigentlich noch nie geliebt, aber die liebe ich jetzt. Die Salomé. Und dass wir die zurückgekriegt haben, ist auch was ganz Besonderes. Da bin ich stolz drauf. Das war ... der Anfang unserer Kunstsammlung, jetzt ist sie wieder da und sie ist für uns vielleicht das Symbol, so zersägt ist unsere Kunst. Wir haben ja so viel Verluste wie kaum ein Museum in Deutschland im 20. Jahrhundert. Und die Salomé macht das nochmal sehr, sehr eindrücklich. Wie zerstört unsere Kunst, wie wichtig es ist, dass wir Freunde finden, sie wieder zusammenzubringen.
Susanne Finne-Hörr Ja, es ist eigentlich auch schon wieder Zeit, das Ende der Sendung herbeizuführen. Vielleicht möchten Sie unseren Hörerinnen und Hörern noch irgendwas mitgeben, weil Sie ja sagten, auch Podcast ist ein Medium. Vielleicht in schwierigen Zeiten, was, wie hält man sich hoch?
Knut Kreuch Ja, Podcast ist eigentlich eine schöne Form, einfach mal zuzuhören. Es ist nicht diese Form der Talkshow, wo ich permanent durch lauthals reingesprochene Sätze dritter abgelenkt werde von einem Thema, sondern wo ich einfach mal zuhören kann. Und das Zuhören ist ein Thema, was verlustig geht. Und es hat nichts mit Hörschwäche zu tun. Es hat einfach was damit zu tun, man will nicht mehr hinhören. Zwischen den Zeilen lesen, zwischen den Sätzen hören, das sind solche große Kostbarkeiten des Menschen, die man sich auch bewahren sollte, das ist genauso wichtig wie Heimat, ja, und man kann vieles besser erklären, wenn man zwischen den Dingen etwas mitnimmt. Und wenn das mit unserer Sendung gelungen ist, haben wir alles richtig gemacht.
Susanne Finne-Hörr Dann hoffen wir das jetzt, liebe Hörerinnen und Hörer, dass genau dies passiert. Ganz herzlichen Dank, dass Sie heute hierher gekommen sind.
Knut Kreuch Gern geschehen. Spaß gemacht. Bis zum nächsten Mal.
Susanne Finne-Hörr Mir auch! Bis zum Nächsten Mal. Genau. Tschüss.
Knut Kreuch Tschüss!
Outro Der Friedenstein-Funk, das sind Susanne Finne-Hörr, Claudia Klein und Oliver Brod. Heute hat uns Knut Kreuch mit seiner Begeisterung für 1250 Jahre Gota angesteckt. Viele Freunde in vielen Sprachen haben gratuliert und eine schwärmerische Weltkarte hat uns tief in ihre Zeit blicken lassen. Danke fürs Zuhören und bis zum nächsten Friedensteiner Funkenschlag!
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