#05 Tapser und Kratzer
Shownotes
In unserer fünften Folge berichten wir darüber, wie ein Evolutionsbiologe den Ursaurier Orobates Pabsti wieder zum Leben erweckt hat. Außerdem sind wir bei einem Gemäderestaurator zu Gast, der seine Begegnung mit dem "Alten Mann" nicht vergessen kann. Dazwischen tickert es News aus unseren Museen.
** Rubrik "Spurensuche" ** Kroch er? Schlich, schlappte oder stakste er? Der Orobates Pabsti, ein kleiner Ursaurier, lebte vor 290 Millionen Jahren unweit von Gotha, auf dem Bromacker. Eine Wissenschaftler*innengruppe rund um John Nyakatura hat die Bewegungsabläufe des Reptils erforscht und den Orobates wieder zum Leben erweckt. Im Podcast berichtet Nyakatura, wie und warum.
** Rubrik "Wer bin ich" ** Die 40 Jahre verschollenen Meisterwerke aus dem Herzoglichen Museum Gotha hatten starke Gebrauchsspuren als sie 2019 der Stiftung Friedenstein zurückgegeben wurden. Insgesamt fünf Restaurator*innen haben sich der Gemälde angenommen. Einer von ihnen: Daniel Richter aus Potsdam. Er hat das „Bildnis eines alten Mannes“ restauriert. Seine Begegnung mit dem „Alten Mann“ kann er nicht vergessen …
** Rubrik "News-Ticker" ** ++ Ende August hat Dr. Günter Winands, Ministerialdirektor und Amtschef der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Gotha besucht, um Perspektiven für den dortigen Museums- und Wissenschaftsstandort auszuloten. +++
+++ Mit einem abwechslungsreichen Programm feiern die Schlösser der Schatzkammer Thüringen am 20. September den Internationalen Kindertag. Mehr Infos dazu auf www.schatzkammer-thueringen.de +++
+++ Nach 85 Jahren hat das „Leichenbegängnis“ des niederländischen Malers Richard Brakenburgh seinen Weg zurück in die Friedensteinschen Sammlungen gefunden. +++
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Script Folge 5
Jingle / Voice over Jingle
Sprecher:
Sprecher: Hallo und herzlich willkommen beim Friedenstein-Funk, dem Podcast der Stiftung Schloss Friedenstein Gotha. Von unserem Gothaer Schlosshügel funken wir hinaus in die Welt, immer monatlich, immer spannend, immer aktuell. Ihr hört Geschichten rund um den Friedenstein, aus Gotha und der großen weiten Museumswelt. Heute mit …
SFX: Steppen
SFX: … einem sehr, sehr weit entfernten Verwandten, der laufen lernt
SFX: Sendersuchlauf
SFX: aus dem Loop „was Kriminalistisches“
SFX: … einem Fall für Dietrich Richter oder die Liaison mit dem „Alten Mann“
SFX: SFX Sendersuchlauf
SFX: … und kurz vor Schluss tickert es News aus unseren Museen.
SFX: Spurensuche
Sprecher:
Sprecher: Wir machen uns heute auf die Reise zu einem kleinen Saurier, der ganz in der Nähe vom Friedenstein entdeckt wurde… oder vielmehr zu dem Wissenschaftler, der ihm das Laufen beigebracht hat.
Sprecher: Jingle Endfigur
Sprecherin:
Sprecherin: Wer zu John Nyakatura geht, begibt sich auf eine Zeitreise. Er ist Evolutionsbiologe, sein Büro gehört zur Humboldt-Universität in Berlin und liegt gleich hinter der Charité, auf einem verwunschenen Gelände, zwischen alten Bäumen, kaputten Gehwegplatten und bröckelnden Gebäuden. Hier – auf dem so genannten Campus Nord – wird schon seit hunderten von Jahren geforscht.
Sprecherin: SFX Schritte in Gang
Sprecherin: In den Gängen des alten Instituts stehen verglaste Regale mit Apothekerflaschen, in denen präparierte Tiere in Alkohol schwimmen – Reptilien, Amphibien oder auch eine sorgfältig halbierte Ratte.
Sprecherin: SFX Tür geht zu, Stimme trocken
Sprecherin: Doch dann, im Büro von Herrn Nyakatura, geht die Zeitreise erst richtig los...
Sprecherin: SFX Zeitreise
Sprecherin:
… ungefähr 290 Millionen Jahre in die Vergangenheit, ins Erdzeitalter Perm. Thüringen lag damals noch am Äquator… und Amerika gleich nebenan. Auf diesem Urkontinent Pangäa lebte ein Ursaurier, der ein bisschen ausgesehen haben dürfte wie ein kleines Krokodil: der Orobates Pabsti. Um den geht es.
… ungefähr 290 Millionen Jahre in die Vergangenheit, ins Erdzeitalter Perm. Thüringen lag damals noch am Äquator… und Amerika gleich nebenan. Auf diesem Urkontinent Pangäa lebte ein Ursaurier, der ein bisschen ausgesehen haben dürfte wie ein kleines Krokodil: O-Ton Nyakatura 1
… ungefähr 290 Millionen Jahre in die Vergangenheit, ins Erdzeitalter Perm. Thüringen lag damals noch am Äquator… und Amerika gleich nebenan. Auf diesem Urkontinent Pangäa lebte ein Ursaurier, der ein bisschen ausgesehen haben dürfte wie ein kleines Krokodil: Ja, der Orobates ist ein Fossil, etwa 290 Millionen Jahre alt und wurde im Thüringer Wald in Tambach-Dietharz gefunden. Das Fossil selbst ist etwa 90 Zentimeter lang und ist wunderbar erhalten für Fossilien dieses Alters, praktisch kein Knochen fehlt und artikuliert. Das bedeutet, dass jeder Knochen noch an der richtigen Stelle ist.
Sprecherin:
Sprecherin: So dass man auch sicher weiß, wo welcher Knochen hingehört. Denn das ist gar nicht selbstverständlich!
Die Ursaurier vom Bromacker sind die Vorfahren einer ganzen großen Gruppe von Landwirbeltieren. Oder wissenschaftlich korrekt gesagt: Sie sind Stammlinien-Vertreter der großen Familie der Nabeltiere. Dazu gehören die späteren Dinosaurier, aber auch die heute lebenden Schlangen, Vögel, Echsen und auch die Säugetiere... also wir. All diese Tiere gehen auf einen gemeinsamen Verwandten zurück.
Die Ursaurier vom Bromacker sind die Vorfahren einer ganzen großen Gruppe von Landwirbeltieren. Oder wissenschaftlich korrekt gesagt: O-Ton Nyakatura 2
Die Ursaurier vom Bromacker sind die Vorfahren einer ganzen großen Gruppe von Landwirbeltieren. Oder wissenschaftlich korrekt gesagt: Der Grad der Verwandtschaft, über den kann man sich streiten, das ist jetzt nicht die aller engste Verwandtschaft. Aber ja, man muss sich vorstellen, der letzte gemeinsame Vorfahre hat vor circa 330 bis 350 Millionen Jahren gelebt und der Orobates ist ein naher Verwandter dieses… ist ein relativ naher Verwandter dieses letzten gemeinsamen Vorfahren. Also wenn man so weit in seiner Ahnenlinie zurückgehen möchte, dann trifft man auf Verwandte, die so ausgesehen haben wie der Orobates.
Die Ursaurier vom Bromacker sind die Vorfahren einer ganzen großen Gruppe von Landwirbeltieren. Oder wissenschaftlich korrekt gesagt: SFX erstauntes Geräusch
Sprecherin:
Da möchte man doch wissen: Wie hat er denn jetzt ausgesehen, der Orobates? Wie ein Mischwesen aus Krokodil und Eidechse, das vor 290 Millionen Jahren durch Thüringen kroch. Oder… schlich er? Trottete? Stakste? Watschelte? Ja, was denn eigentlich?
Da möchte man doch wissen: John Nyakatura und seine Kolleg*innen haben das rekonstruiert. Ausgehend von dem fast vollständigen Fossil haben sie die Bewegungen des Ursauriers rekonstruiert… (zögerlich) also… den Orobates… wieder zum Leben erweckt?
Da möchte man doch wissen: O-Ton Nyakatura 3
Da möchte man doch wissen: Klar, zum Leben erwecken, das können wir natürlich leider nicht. Wir sind nicht bei Jurassic Park, aber ich denke, die Bewegung, die Fortbewegung ist schon immer charakteristisch für so ein Tier, wenn man sieht, wie es sich bewegt, wie es läuft, dann kann man sich eine gute Vorstellung davon machen, wie dieses Tier vielleicht ausgesehen hat, gelebt hat und so weiter.
Da möchte man doch wissen: Wir sind an der Rekonstruktion der Fortbewegung interessiert gewesen und da gibt es ganz unterschiedliche Arbeitsschritte, die dazu nötig sind. Und jeder hat seine eigenen Herausforderungen.
Sprecherin:
Sprecherin: Zunächst müssen die Knochen, die ja mit einer Gesteinsplatte verbacken sind, virtuell herausgelöst werden. Das wird wie bei der Computertomographie mit einem speziellen Gerät gemacht, das normalerweise für die zerstörungsfreie Materialprüfung genutzt wird.
Sprecherin: O-Ton Nyakatura 4
Sprecherin: Dort konnten wir praktisch das gesamte Skelett durchleuchten und dann am Computer die einzelnen Knochenfragmente sozusagen herauslösen, aus dem Gestein, die Knochenfragmente verschmelzen, die Verzerrungen korrigieren und dann das Skelett virtuell wieder zusammenbauen. Dass wir also ein dreidimensionales Skelett hatten, zunächst am Computer. Das hat sich natürlich noch nicht bewegt.
So, das nächste war dann, dass wir uns die Fährten genau angeschaut haben. Also von dem Orobates, … auch von anderen Fossilien am Bromacker – das ist auch eine große Besonderheit dieser Fundstelle – sind sowohl Knochenfossilien als auch Fährten erhalten. […] Also, wir konnten anhand der Fährten dann verstehen: Wie lang sind eigentlich die Schritte, die dieses Tier macht? Wie hält es seine Füße und Hände beim Laufen? Wie breit sind die Arme und Beine abgespreizt vom Körper?
All diese Dinge sind in den Fährten erhalten und wir haben versucht, diese Informationen da aus diesen Fährten herauszulesen, so gut wir konnten. Haben dazu eben auch Vergleiche angestellt mit heute lebenden Tieren wie z.B. Kaimanen, wie mit grünen Leguanen, Salamandern und anderen Tieren, die wir über feuchten Ton haben laufen lassen, um sie sozusagen Fährten erzeugen zu lassen, die wir dann vergleichen konnten mit den fossilen Fährten. Also: Was können wir aus den Fährten über die Bewegung herausfinden? Das war sozusagen unsere zweite Frage.
Sprecherin:
Und dann wurden beide Aspekte zusammengeführt: Das digital rekonstruierte Fossil und die Fährten vergleichbarer Tiere. So wurde der Orobates am Bildschirm zum Laufen gebracht. Wie eine digitale Marionette, bei der die einzelnen Gelenke am Computer angesteuert werden können.
Und dann wurden beide Aspekte zusammengeführt: O-Ton Nyakatura 5
Und so sind praktisch unsere drei wichtigsten Bausteine für die Bewegungsrekonstruktion zusammengekommen:
Und so sind praktisch unsere drei wichtigsten Bausteine für die Bewegungsrekonstruktion zusammengekommen: das digitale Fossil als digitale Marionette
Und so sind praktisch unsere drei wichtigsten Bausteine für die Bewegungsrekonstruktion zusammengekommen: die Informationen aus den Fährten
Und so sind praktisch unsere drei wichtigsten Bausteine für die Bewegungsrekonstruktion zusammengekommen: und dann die Biomechanik der heute lebenden Tiere.
Sprecherin:
Sprecherin: Und mit diesen drei Bausteinen ging es weiter. Denn der Orobates, der bislang nur auf dem Bildschirm laufen konnte, sollte jetzt den Sprung in die Wirklichkeit schaffen.
Zusammen mit einem Team von Spezialist*innen für Bioinspirierte Robotik entstand ein laufendes Fossil: der Oro-Bot. Dafür haben sie jeden einzelnen Knochen nachgeformt, das Skelett zusammengesetzt und mit 28 Motoren versehen: 290 Millionen Jahre nach dem Original schlappt nun ein Knochenroboter durchs Forschungslabor…
Zusammen mit einem Team von Spezialist*innen für Bioinspirierte Robotik entstand ein laufendes Fossil: O-Ton Nyakatura 6
Zusammen mit einem Team von Spezialist*innen für Bioinspirierte Robotik entstand ein laufendes Fossil: Und dieser Oro-Bot hat es uns nun erlaubt, dass wir verschiedene Hypothesen zur Fortbewegung an einem physischen Modell testen konnten. Also, wenn wir verschiedene Bewegungsparameter an diesem Roboter verändert haben, war dieser Roboter dann immer noch in der Lage, die Fährten so zu erzeugen, wie wir sie auch im Fossilbericht überliefert bekommen haben? Oder müssen wir an bestimmten Stellschrauben in der Biomechanik drehen, um sozusagen diese Bewegung zu erzeugen, die in den Fährten verewigt wurde?
Zusammen mit einem Team von Spezialist*innen für Bioinspirierte Robotik entstand ein laufendes Fossil: Und damit hat uns sozusagen dieser Oro-Bot als physisches Modell ein Werkzeug in die Hand gegeben, mit dem wir die rein virtuellen Animationen am Computer überprüfen konnten und testen konnten.
Sprecherin:
Sprecherin: Und irgendwann trafen die künstlichen Füße des Oro-Bot genau in die Spuren, die der Saurier kurz vor seinem Tod vor 290 Millionen Jahren hinterlassen hat.
Sprecherin: O-Ton Nyakatura 7
Sprecherin: Ja, wir konnten darüber hinaus mithilfe des Oro-Bot auch Aussagen treffen über die Energie bei der Fortbewegung beispielsweise. Es gibt ja verschiedene Fortbewegungsweisen, die sparsamer sind, und welche, die weniger sparsam sind. Also, wenn Sie sich einmal selber vorstellen, wie Sie sich fortbewegen, dann denken Sie natürlich nicht drüber nach, wenn Sie von A nach B laufen. Aber Sie machen das ja nicht im Entengang. Das wäre ja sehr anstrengend auf Dauer.
Sprecherin:
Sprecherin: Oh ja, das wäre es! Aber… wenn man ehrlich sein soll… so richtig flüssig läuft das Tierchen noch nicht. Der Roboter sieht noch ziemlich ungelenk aus. Trotz seiner 28 aufeinander abgestimmten Motoren.
Sprecherin: O-Ton Nyakatura 8
Also, man muss sagen: Obwohl dieser Oro-Bot ein wirklich ganz toller Roboter ist und da extrem talentierte Ingenieure sehr viel Arbeit und Zeit investiert haben, um den auf die Beine zu stellen, im wahrsten Sinne des Wortes, ist es trotzdem eine lächerliche Abstraktion eines echten Musculus-skelettalen Systems, eines echten Tiers. Man unterschätzt das zu leicht. Man sieht diesen Oro-Bot und es mutet ein bisschen fast an wie ein Kinderspielzeug. Aber einen solchen Bewegungsablauf zu programmieren ist extrem schwierig.
Sprecherin:
Sprecherin: Na klar, das versteht man. Aber… mal ehrlich. Ist es für einen Wissenschaftler nicht eine enttäuschende Bilanz, wenn er letztendlich doch nicht an die Natur heranreicht? Wenn Unklarheiten bleiben? Oder gehört das einfach dazu?
Weiter bei: O-Ton Nyakatura 9
Es ist uns sogar ein wichtiger Punkt, dass wir deutlich machen, was wir mit einer hohen Wahrscheinlichkeit sagen können und wo wir eben auch noch Unsicherheiten haben. Und die Unsicherheit ist etwas, was in der Paläontologie natürlich allgegenwärtig ist. Bis jemand die Zeitmaschine erfindet und zurückreist, um sozusagen unsere Rekonstruktion zu überprüfen, ist es etwas, was sich letztendlich nicht überprüfen lässt. Und von daher können wir plausible Szenarien entwickeln aufgrund unserer Überlegungen, aufgrund unserer Recherchen, aufgrund unserer Analysen und Modellierungen… Aber mit absoluter Sicherheit sagen: So und nicht anders ist das Tier gelaufen… das können wir natürlich nicht.
Also, das war auch in diesem Projekt ein ganz wichtiger Punkt: Wie geht man mit Unsicherheit um? Wie transparent kann man in so einer Rekonstruktion sein? Und da spielen Aspekte wie Open Science, Open Data, Open Access… das sind alles Sachen, die für uns ganz wichtig waren, dass wir also […] alle Daten offengelegt haben für andere Wissenschaftler, die damit arbeiten möchten oder die bestimmte Punkte vielleicht kritisch sehen oder sagen: Das hätten wir anders gemacht aus diesem und jenem Grund, und deswegen zu einer Neubewertung unserer Befunde kommen.
Also, das war auch in diesem Projekt ein ganz wichtiger Punkt: Das wäre für uns das größte Glück, wenn jemand das aufgreift und uns zeigt, was wir alles falsch gemacht haben. So funktioniert Wissenschaft. Es ist nicht so, dass wir absolute Wahrheiten herausfinden.
Sprecherin:
Sprecherin: Es geht also um produktive Kontroversen. Um das Abwägen und Zusammenführen von möglichst vielen verschiedenen Gesichtspunkten. Spezialist*innen aus Paläontologie, Biologie, Biomechanik, Robotik und computergenerierter Graphik – sie alle haben ihre Expertise mit eingebracht.
Sprecherin: O-Ton Nyakatura 10
Sprecherin: Und jede Disziplin, jede Person, die daran teilgenommen hat, hat natürlich ihren Teil dazu beigetragen. Und von daher versinnbildlicht es sehr schön, wie heute Forschung funktioniert. Also es ist eben nicht so, dass ein genialer Mensch irgendwo im stillen Kämmerlein sitzt und vor sich hinbrütet und mit einer tollen Idee am Ende rauskommt. Ich möchte nicht ausschließen, dass es das auch gibt. Aber oftmals ist es so, dass eben ganz unterschiedliche Menschen zusammenkommen, ihre Expertise einbringen, an einer gemeinsamen Fragestellung arbeiten ...
Sprecherin:
Sprecherin: … um ein komplexes Projekt zu einem Ergebnis zu führen. Dass an Wissenschaft immer viele unterschiedliche Disziplinen beteiligt sind – das will auch das Labor der Humboldt-Universität im neueröffneten Berliner Humboldt Forum zeigen… Und daher hat es den Orobates zu einem seiner Highlights erkoren. Ein Exemplar des rekonstruierten Ursauriers ist vom Friedenstein direkt ins Humboldt-Labor gereist und erwartet nun dort die Besucher*innen.
Sprecherin: Jingle
Sprecherin: Kein Abschiedsschmerz, Herr Nyakatura?
Sprecherin: O-Ton Nyakatura 11
Sprecherin: Der Orobates war natürlich […] Das ist natürlich für meine eigene Karriere ein zentrales… zentrales Ding gewesen, keine Frage. […] Und von daher bleibe ich dem Orobates für immer treu. Naja, ich habe dem viel zu verdanken.
Sprecherin:
Sprecherin: Und der Orobates seinen Wissenschaftler*innen auch! Ganz sicher!
Sprecherin: [Sprecher über Jingle:]
Sprecherin: Wer bin ich
Sprecher:
Sprecher: In diffusem Licht erstrahlt vor der Tiefe eines dunklen Raums der Kopf eines Greises. Die leicht schräg einfallende Helligkeit lässt seine Altersfalten tiefer erscheinen. Das Haar des Mannes ist gewellt, der Bart sehr lang. Er trägt nur einen dicken braunen Mantel – fast klösterlich. Sein Blick leer, müde, fast traurig. Die Stirn gerunzelt. Denkt er an das Ende seiner Tage?
Sprecher: Das „Bildnis eines alten Mannes“ aus dem Jahr 1632 ist eines der fünf Gemälde, die beim Kunstraub von Gotha 1979 entwendet und – 2019 zurückgegeben wurden. Wer unseren Podcast verfolgt, weiß um diesen unglaublichen Fall, der bis heute nicht hundertprozentig aufgeklärt ist. In der letzten Folge haben wir erzählt, wie die Gemälde im Berliner Rathgen-Forschungslabor verifiziert wurden. Echt sind sie – ja. Auch das „Bildnis eines alten Mannes“. Es ist das Gemälde, das Herzog Ernst II. von Sachsen-Gotha-Altenburg einst als echten Rembrandt kaufte.
Sprecherin:
Sprecherin: Ein Rembrandt? Oder eher eine Kopie von einem Rembrandt-Schüler? Jan Lievens oder Ferdinand Bol sind hier im Gespräch. Eine endgültige Identifikation steht noch aus.
Sprecher:
Sprecher: Jahrelang hing das Gemälde an der Wohnzimmerwand einer Familie. Das hat Spuren hinterlassen. Das Bild ist deutlich restaurierungsbedürftig. An etlichen Stellen sind tiefe Kratzer in der Malschicht, die teilweise bis auf die Leinwand reichen.
Sprecher: SFX Shady Lady
Sprecherin: Das ist ein Fall für Richter, Dietrich Richter, Diplom-Restaurator aus Potsdam. Er ist einer von insgesamt fünf Restaurator*innen, die sich der fünf zurückgekehrten Meisterwerke angenommen haben. Und gerade bei Dietrich Richter, der in seinen Urlauben locker 1000 Kilometer Alpen mit dem Rad abfährt, ist der alte Mann gelandet.
Sprecherin: Den Restaurierungsauftrag für Gotha hat er bereits im April abgeschlossen, zurzeit arbeitet er an der Rekonstruktion der historischen Zeltdecke des Goethe-Theaters in Bad Lauchstädt. Doch an den „Alten Mann“ erinnert er sich gerne zurück – denn …
M12): „..das ist eine tolle Malerei mit so sparsamen Mitteln und so einer genialen gesetzten Untermalung und Modellierung, die nur das Nötigste angibt. Das muss jemand sein, der komplett geübt ist in dem, was er räumlich macht und die Steigerung, dass er über ein Kleidung nur über eine Stofflichkeit komplett den Fokus setzt auf das Eigentliche, nämlich auf das Gesicht und diese starke Licht-Schatten Situation so genial und so treffsicher und so locker ausformuliert, dass mir manchmal ein bisschen die Spucke weggeblieben ist.“
Sprecherin:
Sprecherin: Dietrich Richters Arbeit ist geprägt vom Respekt gegenüber dem Original und seiner Geschichte. Doch worum geht es beim Restaurieren eines Kunstwerks?
M1 (2: 54) Es geht eigentlich um das Sichtbarmachen eines authentischen Zustandes, ein Gemälde unterschiedlicher Zeitepochen kann verändert worden sein durch Übermalungen, durch andere Firnis- Aufträge durch Entfremdung von Detail-Darstellungen, die aus der Mode waren oder anstößig waren. Es geht eigentlich um authentische Oberflächen einer Zeitauffassung, z.B. bei einem Gemälde des 17. Jahrhunderts, dass ich das alles wieder so untersuche, dass ich das Material technisch und reversibel nicht zerstöre, sondern dass der Möglichkeit sichtbar machen kann, was eigentlich ursprünglich zu diesem Bild gehört.
Sprecherin:
Sprecherin: Also können wir davon ausgehen, dass man für eine gute Restaurierung nicht nur handwerkliches Geschick braucht, sondern auch viel kulturhistorische Kenntnisse und zeitgeschichtliches Wissen?
M4 (7: 28) Ja, ja, auf alle Fälle. Ich glaube, der Anreiz, der entsteht auch wirklich aus der Fragestellung eines Objektes. Man wird von Auftraggebern angefragt und das ist ja das erste, Mensch, irgendwas stimmt hier nicht und man versucht, der Sache auf den Grund zu gehen. Das hat auch, was sehr Kriminalistisches, dass man versucht, der ursprünglichen Fragestellung auf den Grund zu gehen und zieht natürlich alle Quellen heran, die man nutzen kann und versucht die die möglichst getreue Quelle zu identifizieren. Und ja, kulturhistorisch sollte man schon interessiert sein.
M4 (7: Loop was Kriminalistisches
Sprecher:
Sprecher: Und da ist es wieder – kriminalistisch. Das Wort, das uns schon durch die ganze Serie begleitet.
Sprecher: SFX Shady Lady
Sprecherin:
Doch welche Spuren hat Dietrich Richter entdeckt? Womit hat ihn der „Alte Mann“ herausgefordert? Eine Fragestellung war:
M9 (18: 20) Wie gehe ich mit diesem defekten Firnis-Überzug um? Und der war sehr stark vergilbt und hat auch damit die Farbqualität ein wenig verunklärt.
M9 (18: Dietrich Richter entschied sich, den alten Firnis, also die Schutzschicht, die über dem Gemälde lag, vorsichtig mit speziellen Lösemitteln zu entfernen.
M10 (20: 57): Dann hab ich erst mal die Einsehbarkeit der tatsächlichen kompletten Farbschicht vor mir gehabt. Wir konnten feststellen, dass sind Firnis-Aufträge auch der letzten 40 / 50 Jahre gewesen. Wir konnten sogar auch Rückschlüsse ziehen, das sind Materialien aus den 60er Jahren. Da standen nur bestimmte Damma-Harze zur Verfügung, die manchmal ein wenig zu Versprödungen neigen und das zeigt …
Sprecherin:
Sprecherin: Der Arbeitsprozess ist komplex, handwerklich und methodisch. Es ist eine durch und durch interdisziplinäre Tätigkeit. Dietrich Richter braucht nicht nur einen guten kunsthistorischen Überblick und Kenntnisse über historische Materialien, sondern auch fundiertes chemisches und physikalisches Wissen und – eine Menge Empathie. Denn er muss sich in einen Künstler des 17. Jahrhunderts hineinversetzen können, um dessen künstlerischen Ausdruck zu verstehen.
M14 (31: 15): Es ist manchmal auch ganz überraschend, dass man eine gealterte Oberfläche von Übermalungen und Verfremdungen so freilegt, dass man die tatsächliche Aussage und Absicht eines Autors, eines Künstlers wieder offenbart und ich will das entdecken, was tatsächlich authentisch die Zeit in einer Fragestellung – Malerei ist immer eine Fragestellung, eine Suche nach Antworten der Zeit. Das das will ich sehen. Das ist genau, wo ich genau mir vorstellen kann, was es um 1630 was hat der Typ gerade verhandelt, was hat er gerade untersucht. Und das will ich sehen.
M14 (31: SFX Break the silence
Sprecherin: 156 Stunden dauerte Dietrich Richters Liaison mit dem „Alten Mann“. Er ist ihm sehr nahe gekommen. Er hat Firnis abgetragen, er hat die Kratzspuren mit Proteinleimen konsolidiert. Er hat vorsichtig neue Farben integriert. Er hat das Gemälde mit neuem Firnis überzogen, denn das …
Sprecherin: M10/2)… ist auch die Aufgabe des Firnis. Es muss also auch neu eingestellt werden in einem Mischungsverhältnis, sodass er nicht so stark glänzt, dass er vielleicht auch seidenmatt steht und zurückhaltend und dass auch der Ductus wieder zu sehen ist. Also auch die Farbstärke der eigentlichen Malerei. Die ist also in meinem Bildnis des alten Mannes so, so unfassbar toll und ad hoc aufgesetzt gewesen, dass die jetzt wieder durch das Glanz-Bild sichtbar wird. Also der gesamte Vorgang des Malens, des Künstlers wird komplett wieder sichtbar.
Sprecher: Bewundern könnt ihr das Resultat seiner Arbeit ab dem 23. Oktober in der Ausstellung „Wieder da! Die zurückgekehrten Meisterwerke“ im Herzoglichen Museum Gotha. Da hängt das „Bildnis eines alten Mannes“ – wieder vereint mit den vier anderen Meisterwerken.
Sprecher: SFX Shady Lady
Sprecher: Und vielleicht, ja ganz vielleicht, geben die Gemälde eines Tages ja auch preis, was damals in und nach der Nacht von Gotha wirklich geschah.
Sprecher: SFX Krähen, Regen (Folge 1)
Sprecher: Jingle
Sprecher: NEWSTICKER
Sprecher: SFX Tickermusik
Sprecher: *** Berlin/Gotha // Ende August hat Dr. Günter Winands, Ministerialdirektor und Amtschef der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien, Schloss Friedenstein und das Perthes-Forum besucht. Gemeinsam mit der Forschungsbibliothek und der Uni Erfurt wurden dabei mögliche Perspektiven für den Museums- und Wissenschaftsstandort Gotha ausgelotet. ***
Sprecher: *** Thüringen // Mit einem abwechslungsreichen Programm feiern die Schlösser der Schatzkammer Thüringen am 20. September den Internationalen Kindertag. Mehr zu den Orten, an denen junge Besucherinnen und Besucher am Schlosskindertag den Prinzen oder die Prinzessin in sich ausleben können, findet ihr auf schatzkammer-thueringen.de ***
Sprecher: *** Gotha / Köln // Nach 85 Jahren hat ein Werk des niederländischen Malers Richard Brakenburgh seinen Weg zurück in die Friedensteinschen Sammlungen gefunden. Das Gemälde „Leichenbegängnis“ ist um 1680 entstanden und erzählt den Lebenszyklus von der Geburt bis zum Tod. Es war im Februar 1936 verkauft worden und wurde nun – dank des Freundeskreises Kunstsammlungen – in einer Auktion zurückersteigert. ***
Jingle:
Jingle: Endjingle
Sprecherin:
Sprecherin: Und damit sind wir schon wieder am Ende unserer Sendung angekommen. Dies war die September-Ausgabe des Podcasts der Stiftung Schloss Friedenstein in Gotha. Konzipiert und geschrieben von Susanne Hörr, Claudia Klein und Dagmar Trüpschuch. Es sprachen Johanna Zehendner und Oliver Brod, der auch die Beiträge editiert und gemischt hat. Die Jingle komponierte Bertram Denzel. Freut euch jetzt schon auf eine neue Folge. Wir freuen uns, wenn ihr dann wieder reinhört – in euren Friedenstein-Funk.
Sprecherin: Jingle
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